Praxisvergleich – Felgenbreiten im Plusformat (WTB Asym i35 vs. WTB Scraper i45 vs. SURLY Rabbit Hole): von Fabian

Dank WTB Europe sowie deren deutschem Vertrieb Shocker Distribution befanden wir uns in den letzten Monaten über in der glücklichen Lage, zwei nahezu identische Laufradsätze auf meinem SURLY Krampus 29+ Bike fahren zu können, deren Hauptunterschied in der Felgenbreite liegt. Die Fragestellung hierbei lag darin herauszufiltern, wie breit eine Plus-Felge sein muss und ob es überhaupt eine echte Optimalbreite gibt.

1_ Titelbild Als Vergleichsmuster standen die WTB Asym i35 Felge (35 mm Innenweite, oben abgebildet), die bereits beim 29+ Projektbike Verwendung fand, und die WTB Scraper i45 (45 mm Innenweite) sowie der Origianl-LRS vom Krampus mit der noch breiteren SURLY Rabbit Hole Felge (50 mm Innenweite) zur Verfügung.
Was ich an dieser Stelle gleich vorausschicken möchte: Bis zum Wechsel auf die Scraper i45 fuhr ich auf meinem SURLY Krampus, das auch hier als Testbike diente, mit dem Rabbit Hole LRS, einer der fettesten Plus-Kombinationen überhaupt. Dementsprechend sind meine Erwartungen an das Fahrverhalten eines Plusbikes auch durch eben diese Kombi vorgeprägt.

Bevor es zu den Fahreindrücken geht, noch ein paar Zahlen und Messwerte:

**********************
Die Zahlen, Daten & Fakten:

Zuerst die jeweiligen Reifenbreiten: Der Referenzreifen in dem Test, der BONTRAGER Chupacabra bringt es auf der WTB Asym i35 auf eine Karkassenbreite von 69mm, auf der Scaper i45 auf 73 mm und auf der 50mm breiten Rabbit Hole verbreitert er sich um auf immerhin 76mm – in unserem Beispiel wirkt sich die Differenz in der Felgebreite in etwa zur Hälfte auf die Karkassenbreite aus.

4_Chupa RH_Chupa i35 5_Reifenflanken_Vergleich

Vom Lenker aus betrachtet fallen die unterschiedlichen Breiten sehr wohl ins Auge. Die aus der geringeren Felgeninnenweite resultierende geringere Reifenbreite mit der Asym i35 macht sich aber nicht nur optisch bemerkbar. Auf dem Trail ist es vor allem die veränderte Reifengeometrie oder – genauer gesagt – der veränderte Querschnitt und damit die Änderungen in der Profilwölbung, der in der Praxis spürbar ist. Wie sich auf dem folgenden Bild anhand des Schriftzugs auf dem Reifen gut erkennen lässt, werden die Seitenwände des Reifens auf der 35mm breiten Asym i35 wesentlich stärker nach innen gezogen als auf der 50mm breiten Rabbit Hole. Die Folge ist, neben der schmälerer Gesamtbreite (siehe Messung oben), vor allem eine stärker gekrümmte Lauffläche und damit schmälere Kontaktfläche zum Boden.

Ein wichtiger Faktor beim Bike ist natürlich immer auch das Gewicht und besonders bemerkbar macht sich dies bei der rotierende Masse, weshalb wir darauf gleich an zweiter Stelle eingehen: Da uns nur Komplettlaufräder für den Test zur Verfügung standen, war das Wiegen der Felgen alleine leider nicht möglich, wenn man aber den bei WTB stets sehr realistischen Herstellerangaben glauben schenkt, dann liegen satte 100 g zwischen der i35 und der i45…und das pro Felge! Für Fahrer, die bei ihrem Bike Wert auf ein geringes Gewicht legen, sind die schmaleren Felgen also durchaus eine sinnvolle Wahl um an der rotierende Masse zu sparen.

10_Scraper_Fahrt
Erwartungsgemäß fällt die mit der schmälere WTB Asym i35 Felge (612 g) am leichtesten aus. Die breiteste SURLY Rabbit Hole Felge liegt mit 705 g zwar sehr nahe an den 712 g der WTB Scraper i45 – es sei aber auch angemerkt, dass die beiden WTB Felgen als tubeless-ready Doppelkammersysteme eben auch exzellente Tubeless-Eigenschaften haben, während man die SURLY Rabbit Hole nur mit viel Aufwand ohne Schlauch fahren kann – das Systemgewicht fällt hier wegen des Schlauchs (ab 250 g aufwärts) also potentiell noch einmal deutlich höher aus. Unsere Fahrtests haben wir der Einfachheit halber beim Umbau stets mit Schlauch gemacht.

Doch neben den Zahlenwerten gibt es noch eine andere Wahrheit – nämlich wie sich die unterschiedlich breiten Felgen auf das Handling und Fahrverhalten auswirken…

*************************
Handling und Fahrverhalten:

Das unterschiedlich stark gewölbte Reifenprofil und der veränderte Auflagefläche des gleichen Reifens auf den verschieden breiten Felgen spürt man in verschiedenen Bereichen sehr wohl auch im Fahrverhalten.

7_Steinpassage 6_Wurzelpassage

Besonders bei nassen Bedingungen und in Schräglagen bzw. Kurven macht es sich bemerkbar, indem die Kombination mit der schmäleren Felge etwas schneller die Führung verliert und auch im Grenzbereich etwas weniger definiert ist. Auch auf Passagen, die zwischen Wurzeln oder runden, glatt geschliffenen Steinen hindurchführen, neigt der Reifen auf der schmäleren Felge eher dazu an Hindernissen abzuprallen oder abzurutschen, während der mit den beiden breiteren Felgen in dem Gelände sowohl gelassener sein Spur hält als auch ein höheres Gripniveau aufbaut. Wohlgemerkt, diese Unterschiede sind nicht sonderlich dramatisch, der generell gutmütigere Charakter der Plus-Formate bleibt in allen Kombinationen weitgehend erhalten, aber im direkten Vergleich war er dennoch vorhanden. Einfach mal laufen und den Reifen machen lassen ist in allen Kombinationen möglich, erfordert mit der schmaleren Felge aber einen etwas festeren Griff am Lenker und eine erhöhte Aufmerksamkeit um den Kurs im Fall der Fälle zu korrigieren.

8_Wurzelpassage_Fahrt

Ein weiterer Aspekt, den es gerade bei den 3“ Plus-Reifen zu beachten gibt, ist das je nach Reifen mehr oder minder deutliche Self-Steering – ein Effekt den man mit zunehmender Reifenbreite besonders auf glatten, harten Untergründen und auf der Strasse spürt. Während der BONTRAGER hierbei ohnehin einer der gutmütigsten Plus-Reifen ist, die ich kenne, konnte ich im direkten Vergleich aber dennoch spüren, dass der Effekt mit zunehmender Felgenbreite (ergo: mit breiterem Kontaktbereich des Reifens mit dem Boden) zunimmt. Zum Vergleich habe ich deswegen auch den VEETIRE Trax Fatty auf den Felgen gefahren der mir schon damals im Test mit seinem leichten aber spürbaren Self-Steering aufgefallen war. Hier wurde der Effekt noch mal deutlicher, wenn auch anders als erwartet. Und zwar in der Form, dass der Unterschied zwischen der 35 mm Asym i35 und der 45 mm i45 Scraper weniger auffällig war, wie der von der i45 zur nur 5 mm breiteren Rabbit Hole (wie damals auch im Test angemerkt). Wie geht das? Den Grund hierfür sehe ich in dem etwas eigentümlichen Querschnitt der VEETIRE Reifen. Während der Chupacabra mit seinem fein genoppten Profil immer eine sehr rundliche Form annimmt und so seinen Querschnitt kontinuierlich verändert, neigt der VEETIRE Trax Fatty mit seinen ungleichmäßig angeordneten „Stollenplatten“ je nach Felge zu einem eher eckigen Querschnitt, dessen Fahrverhalten sich auch dementsprechend ändert. Als ich anfangs durch den großen Unterschied zwischen der 50 mm Rabbit Hole und der i45 noch davon ausgegangen bin, dass der Trax Fatty auf einer noch schmaleren Felge nochmals leichter lenken lassen würde, kann ich nun sagen, dass ich die WTB Scraper i45 mit ihren 45mm Breite für dem VEETIRE Trax Fatty als ideal erachte. Der BONTRAGER Chupacabra dagegen ist universeller und kommt mit den in diesem Post genannten geringen Änderungen im Fahrverhalten auf allen drei Felgenbreiten gut bis sehr gut zurecht.

9_Krampus_Stilleben

In Bezug auf den erforderlichen Reifendruck habe ich – zu meiner eigenen Überraschung – bei der 35mm breiten WTB Asym i35 keine spürbaren Nachteile feststellen können. Der Reifen knickte auch bei den für das Plus-Format üblichen niedrigen Luftdrücken nicht ab oder entwickelte gar ein undefiniertes Fahrverhalten. Erst wenn man wirklich extrem niedrig geht, also unter 0,85 bar was bei meinem Körpergewicht allein schon wegen der Durchschlaggefahr nur wenig Sinn macht, beginnt der Reifen auf der schmäleren Felge sich weniger definiert zu fahren. Im für mich sinnvollen Druckbereich (0,95 bis 1,1 bar) habe ich keine echten Unterschiede erspüren können.

Bei Schlammpassagen setzte sich der Bontrager Chupacabra gefühlt auf der schmaleren Felge etwas rascher zu als mit der breiten Rabbit Hole oder der WTB Scraper i45. Den Grund hierfür sehe ich in dem durch die Wölbung unterschiedlich zueinander abgewinkelten Stollen, die mit der schmäleren Felge eben stärker V-förmig zulaufen. Offensichtlich machen hier bereits kleine Varianzen einen spürbaren Unterschied. Die Selbstreinigung blieb davon jedoch unberührt und war beim BONTRAGER und VEETIRE weiterhin hervorragend. Schon nach wenigen Metern waren die Reifen wieder frei.

13_Bild_Schlammpassage_Fahrt

Mit der schmaleren Felge und der dadurch veränderten Reifengeometrie reduzierte sich dagegen das Festsetzen von Schlamm im Tretlagerbereich sowie an den Gabelholmen deutlich. Mehr Reifenfreiheit bedeutet eben auch weniger Probleme mit dem Moder. Für Fahrer, die häufig unter schlammigen Bedingungen unterwegs sind, ist eine Felge mit geringerer Innenweite also durchaus eine sinnvolle Wahl.

******************************

Abschließend möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, was ich von einem PlusBike erwarte: Von Plus erwarte ich mir die Möglichkeit, auf vielen verschiedenen Untergründen sicher vorwärts zu kommen, außerdem hohe Laufruhe, Stabilität, sowie die Dämpfung von Unebenheiten auf dem Trail (durch den niedrigen Reifendruck). Wichtig ist mir zudem auch die Gewissheit, das Rad einfach mal laufen lassen zu können, weil gerne mal Fehler in der Linienwahl verzeihen.

14_Fahrt_Anfahrt Stufe

Sehe diese Erwartungen sowohl auf 45 mm als auch auf 35 mm breiten Felgen erfüllt? Größtenteils ja, mit den weiter oben erwähnten Abstrichen auf nassem und wurzeligem oder steinigen Terrain wo ich den breiten Felgen den Vorzug gebe. Wofür mich der Verlauf dieses Vergleichstest nochmals stark sensibilisiert hat, ist wie die Geometrie das Handling der einzelnen Reifen durch die unterschiedlichen Felgenbreiten verändert. Dies fügt den ohnehin schon umfangreichen Überlegungen beim Aufbau oder bei der Optimierung eines Bikes zwar noch einen zusätzlich zu berücksichtigenden Punkt hinzu, aber der Reifen ist nun einmal das Bauteil, welches die Verbindung zwischen Rad und Untergrund herstellt und somit einen immensen Einfluss auf das Fahrverhalten eines Bikes hat. Er arbeitet schon, wenn Federgabel und Dämpfer noch nicht ansprechen und gibt dem Fahrer das meiste Feedback. Vor diesem Hintergrund sehe ich es als absolut gerechtfertigt an, sich ausführlich neben den unterschiedlichen Reifen selbst auch mit den dafür passenden Felgenbreiten auseinanderzusetzen. Je nach Reifen steckt hier sehr wohl noch Potential um die ein andere Eigenschaft stärker zu betonen.

Nach diesem Exkurs nun aber endlich zurück zur Ausgangsfrage und damit auch zur Antwort auf die Frage, welche Felgenbreite mir in Kombination mit Plusreifen am sinnvollsten erscheint. Aufgrund der Erfahrungen aus diesem Vergleichstest würde ich für mich persönlich eine Innenweite von 35mm als die untere Grenze der Felgenbreite für Plusbikes festlegen. Ich weiß (u.a. von TNI-Kollege Oli) sowie aus diversen Foren, dass es Biker gibt, die auch mit einer Felgenbreite von 30mm und darunter mit Plusreifen zufrieden sind. Ich selbst würde mit der Felgenbreite jedoch nicht so weit reduzieren wollen, da sie sich meiner Meinung dann zu stark auf die Reifengeometrie auswirkt. Das mit den schmäler werdenden Felgen auch stärker gekrümmte Laufflächenprofil mit seinen veränderten Fahreigenschaften sind für mich persönlich wichtiger als die durch die Ersparnis an rotierender Masse hinzugewonnene Spritzigkeit.

Wenn ich abschließend noch eine Empfehlung aussprechen müsste, dann lautete diese wie folgt: Für Tourenfahrer, Trailbiker und Bikepacker erachte ich die breiteren Felgen als besser, da diese mehr Sicherheit vermitteln und eher in der Lage sind, Fahrfehler auszugleichen. Zudem ermöglicht die breite Abstützung des Reifens auch dann noch niedrige Drücke, wenn sich durch Gepäck zusätzliches Gewicht am Rad befindet. Für schnelle, wettkampforientierte Fahrer, die zusätzlich ein scharfes Auge auf das Gewicht haben, aber dennoch Komfort eines Plusbikes für Marathon- oder Crosscountry-Rennen nutzen wollen, sind wegen des geringeren Gewichts aber auch der höheren Matschfreiheit mit den schmaleren Felgen oft besser bedient.10_Scraper_Fahrt

Das „Plus-Gefühl“und die damit verbundenen Vorteile wie hohe Traktion und viel Dämpfung durch geringen Luftdruck stellten sich bei allen von uns getesteten Felgenbreiten ein. Bei der Fahrsicherheit, insbesondere in nassem Geläuf muss sich die Asym i35 jedoch der breiteren Scraper i45 geschlagen geben.

Als Zusatzfazit konnten beide WTB-Felgen durch eine hohe Stabilität, einem unkomplizierten Tubeless-Setup sowie einer hochwertigen Verarbeitung und toller Optik bei niedrigem Gewicht überzeugen. Weder mit der Scraper i45 noch mit der Asym i35 macht man beim Aufbau eines Plus-Laufradsatzes etwas falsch. Danke an WTB EUROPE und SHOCKER DISTRIBUTION für die Bereitstellung der Laufradsätze. Wichtig ist jedoch, sich im Vorfeld darüber zu informieren, wie sich die Felgenbreite auf die angedachten Reifen auswirkt. Wir hoffen, euch mit diesem Test zumindest ein paar Erfahrungswerte an die Hand gegeben zu haben.

Fabian