SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie – Erster Eindruck: von Grannygear

Plus ist etwas für mich (und die meisten Leser wohl auch) etwas recht neues. Deswegen ist dieser Test etwas langfristiger angelegt, schließlich soll es darin nicht nur um das Bike an sich, sondern auch um die neue Reifengröße gehen. Hier aber meine ersten Eindrücke. Alle technischen Infos findet ihr im Testintro des SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie.

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Nach dem Zusammenstecken musste ich nur noch die Gabel einstellen und die Reifen auf einen sinnvollen Druck bringen. Hierbei habe ich erstmal mit einer ersten Gabel Set-up und wie das, was machte ich mich mit 1 bar (=15 psi) begonnen. Ursprünglich war ich besorgt, weil mir anstatt des XL Rahmens den ich erwartet hatte, einer in Large ausgeliefert wurde, doch sowohl beim Blick auf die Geometriedaten wie auch beim ersten Aufsitzen fiel sofort auf, dass auch das L schon ein ausgesprochen langes Oberrohr hat und mir deswegen auch bei 1,88 m und einer Schrittlänge von 86 cm schon sehr gut passt.
Voller Neugier ging es so auf den ersten Ride damit und ich war sofort überrascht wie gut sich das Plus-Bike doch beschleunigen ließ – nicht ganz auf dem Niveau eines 29ers, aber um Welten besser wie jedes Fatbike. Selbst auf Asphalt und auf der Strasse war es gar nicht so schlimm, wie erwartet, jedenfalls im Vergleich zu meinem Fat Bike. Unterwegs zum Trail gab es dann ein paar Abschnitte mit ausgewaschenem Sand zu durchqueren – tief genug jedem „normalen“ 29er MTB mit durchdrehendem Hinterrad zum Stillstand zu zwingen – aber das SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie mit seinen 3.0 Ground Control Reifen hatte damit keine Probleme. Ich musste zwar ein wenig um eine saubere Linie ringen, aber das war es auch schon. Cool! Auch damit liegt das Plus-Bike also genau zwischen einem Fat Bike, das hier komplett unbeeindruckt darüber rollt und einem normalen 29er.

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… ein typische Singeltrail hier in Südkalifornien – ausnahmsweise mal mit grüner Vegetation.

Auf dem Weg zu den Singletrails auf breiter Schotterstraße haben die 27+ Reifen wieder gezeigt, dass die sich alles andere als langsam und klobig fahren. Ich hatte zwar nicht das Gefühl „unaufhaltbar“ zu sein, wie seinerzeit auf dem 29+ TREK Stache 9, aber über den losen Schotter und die Sandabschnitte ist das Bike ebenfalls hinweggeschwebt als wären sie nicht einmal da. Dann ging’s auf den Singletrail. Sanft bergauf schlängelt sich der Weg, allerdings auf einer Oberfläche wie aus Beton, den man schon begangen hatte bevor er ausgehärtet war. Die zahllosen Kanten und Dellen in Kombination mit der leichten Steigung leisten Wunder, wenn es darum geht dem Biker den Saft aus den Beinen zu saugen. Wenn man an einem Punkt festmachen kann, wie leicht die Laufräder über Unebenheiten rollen, dann hier.
Wie erhofft war das Specialized Fuse Pro 6Fattie hier genau in seinem Element, denn was die zugegeben schweren Laufräder an Energie kosten, sparen sie locker ein indem sie den Fahrer von den vielen Schlägen und Vibrationen isolieren. Keine Spur von Behäbigkeit mehr und im Vergleich zu einem normalen 29er war sogar die Beschleunigung mehr als OK. So macht Biken Spaß. Die Traktion, wie man sich vorstellen kann, ist ziemlich beeindruckend. Und auch in der Kurvenführung verhalten sich die „mittelbreiten“ Reifen ausgesprochen gutmütig. Meine nach ein paar Regenfällen verspurten und wieder in der Sonne ausgetrockneten Trails waren damit absolut unproblematisch zu fahren. Das Handling des Bikes würde ich nicht unbedingt „langsam“, sehr wohl aber als „gedämpft“ ansprechen. Es braucht einfach ein wenig mehr Input am Lenker bis das Bike reagiert und, wenn es einmal eine Linie eingeschlagen hat, lässt es sich auch durch schräge Rillen oder Kanten kaum mehr aus der Richtung bringen. „Ruhig“ ist das Wort welches das Fuse am besten beschreibt, aber eben nicht so ruhig, dass es damit langweilig wirken würde.

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Hier eine kurze Zusammenfassung der Dinge, die mir bisher aufgefallen sind.

Das Gute:

  • Das auffälligste, für jemanden der sich erstmalig mit einem Plus-Bike wie dem Fuse beschäftigt, ist dass es sich ziemlich „normal“ anfühlt. Und ich sage das nicht nur in Relation zu einem Fatbike, sondern auch im Vergleich zu einem typischen 29er. Mit einer Gesamtreifendurchmesser in etwa im Bereich der 29er Laufräder fühlt es sich niemals riesig (wie etwa ein 29+), sondern einfach normal an.
    In Relation zu einem 29+ ist ein B+ Bike noch auffallend agil. So überstrapaziert das Wort auch ist, wäre „verspielt“ die richtige Beschreibung. Obwohl ich selbst kein Fahrer mit den Fähigkeiten eines Trail-Ninjas bin, mag ich es doch aktiv zu Biken und ein wenig mit dem Bike zu „tanzen“.
  • Die Kombination aus den 3,0“Ground Control Reifen und den 38 mm ROVAL Laufrädern ist etwa 125 g schwerer als die Kombinations der ROVAL Fatty Alu mit 2.3er Ground Control und das ist gar nicht so schlecht wie ich finde. so dass es gar nicht so schlecht. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut es sich beschleunigen lässt, wenn man aufsteht und einen kurzen Spurt hinlegt – ziemlich schnell für ein Bike, das optisch schon ein wenig pummelig wirkt.
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    Auch oder gerade solche zerfurcht, bröseligen Abschnitte sind mit dem SPECIALIZED Fuse Pro ein ausgesprochenes Vergnügen.

    Die Traktion ist schon verdammt hoch, und fordert mich heraus meine Fahrweise dementsprechend anzupassen – insbesondere in Kurven fühlt man sich damit um soviel sicherer.
    Die Linienwahl wird mit den 3“ Reifen zweitrangig oder anders formuliert „kreativer“. Spurrillen, kleinere Wurzeln oder eine lose Auflage kann man mit dem Fuse Pro 6Fattie getrost ignorieren. Gerade hier in Südkalifornien mit seinen trockenen Trails ist das schon sehr cool.

  • Das Handling fühlt sich recht neutral an. Von langsamer Fahrt über Blockfelder bis hin zu ausgefahrenen Doubletracks bei 35 km/h hat sihc das Bike bisher bestens bewährt. Das einzige wo es nicht ganz top ist, sind langsame Steilanstiege, in denen es doch etwas früher als erwartet anfängt zu steigen. Nichts, was man nicht mit Gewichtsverlagerung in den Griff kriegt, aber dennoch spürbar.
    Bei ungefähr 1 bar Luftdruck in den Reifen ist mit bisher nur sehr wenig „Selfsteering“ (das Einkicken der Lenkung in engen Kurven) aufgefallen.
  • Die SPECIALIZED Command Dropper Stütze ist nun nicht mehr nur auf 3 Positionen festgelegt und das empfinde ich als sehr angenehm. Sie hat bisher ausgezeichnet funktioniert.
  • Das Bike wird durch die breiten Reifen bei niedrigem Druck ausgesprochen komfortabel – im Sattel genauso wie stehend. Ich meine wirklich komfortabel. Kleinere Wurzeln und Steine verschwinden förmlich unter den Reifen und selbst größere Kanten oder Felsen kommen sehr viel gedämpfter zum Fahrer durch.

Die nicht so gute:

  • Plus-Bikes brauchen weniger Profil auf der Lauffläche der Reifen. Durch ihre Breite und den niedrigen Druck habe sie eine gigantischer Kontaktfläche zum Boden und das erlaubt auch in schwererem Gelände schwach profilierte Reifen. Aber der Effekt hat auch seine Grenzen. Ich weiß noch nicht warum genau, ob es am Reifenprofil, dem Compound, am Luftdruck oder an den tendenziell schmalen Felgen liegt, die den Reifen eventuell zu stark walken lassen, aber gerade auf harten Untergründen rutschen die Ground Controls hinten öfter durch als mir lieb ist. Beim TREK Stache ist mir das nie aufgefallen. Ich werde der Sache noch weiter nachgehen, denn irgendwie nervt mich das schon. Ich habe von SPECIALIZED zwar auch einen Pugatory Reifen mitbekommen, glaube aber eher, dass ich den vorne einsetzen werde.
  • Je nach Trail bemerke ich hin und wieder ein leichtes Wippen des Bikes, das von den Reifen kommt. Aktuell denke ich, dass das einfach eine Eigenart von Plusbikes ist, werde der Sache aber ebenfalls noch nachgehen indem ich dir unterschiedlichen Drücken spiele. Bei 0,9 bar, dem meinem Empfinden nach niedrigsten fahrbaren Druck für mich, war der Effekt jedenfalls noch deutlicher zu spüren.
    In dem Zusammenhang, glaube ich auch, dass sich bestimmt noch viel tun wird, was die Reifenkonstruktionen und auch die Federungsabstimmung angeht. Bei der ROCK SHOX Reba Federgabel habe ich auch manchmal das Gefühl, dass ihre Abstimmung nicht optimal mit der hyperaktiven „Federung“ der Reifen harmoniert. Mit den auf der Gabel aufgedruckten Luftdruck-Empfehlungen fährt sich das Bike schon sehr straff und auch was die Dämpfung angeht, gibt es Ungereimtheiten. Ich frage mich, ob man in Kombination mit Plus-Reifen nicht mit etwas weniger Druckstufen-, dafür aber mehr Zugstufendämpfung besser bedient wäre. Das ist allerdings bisher nicht mehr als Spekulation.
  • Was das Überrollverhalten angeht, erreicht das B+ Bike natürlich nicht ganz das Niveau eines 29+ Bikes, liegt aber für meine Empfinden sehr wohl gleichauf mit einem klassischen 29er – sowohl was den effektiven Reifendurchmesser, als auch die Fähigkeit Unebenheiten zu dämpfen betrifft.
  • Auch mit 3“ breiten Reifen und niedrigem Druck schafft das Fuse nicht das gleiche Fahrgefühl eines Fullies. Je härter man es fährt, desto mehr wird man daran erinnert, dass es eben doch ein Hardtail mit dessen natürlichen Grenzen ist.
  • Die SRAM Einfach-Schaltung erfüllt bisher zwar die Anforderungen, die ich an ein derartiges Bike habe, hat aber auch klar ihre Grenzen. Auf sportlichen Ausfahrten ist das weniger problematisch, aber auf langen Touren mit vielen Höhenmetern, evtl. noch mit Gepäck, könnte das faizit durchaus weniger positiv ausfallen. Da würde nur der Wechsel auf eine kleineres Kettenblatt weiterhelfen.

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Grundsatzfrage: Ist eine Bike wie das SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie eine echte Alternative zu bekannten Bike-Kategorien und lediglich eine Ergänzung, … ein kurzlebiger Trend, dem die Hersteller da folgen oder etwas mit echtem Nutzen für den Biker?

Meiner Meinung nach hat das Plus-Bike sehr wohl seine Berechtigung. Ich sehe aber auch, dass es nicht für jeden und überall das bessere Bike ist. Zum Beispiel: Je schlechter die Bodenverhältnisse sind, desto deutlicher kommen die Vorteile raus. Bei den derzeitigen Profilen , würde ich tiefe und schmierige Böden bei der Aussage zwar noch ausklammern, aber überall, wo der Biker mit losem Untergrund, sandigen Böden oder Wurzeln zu kämpfen hat, dort glänzt das Specialized Fuse Pro 6Fattie wirklich. Wenn man allerdings meist auf härteren Oberflächen und schnellen, kurvenreichen Trails fährt, dann werden die + Reifen ihre Vorzüge kaum ausspielen können.
Andererseits, darf man nie vergessen, dass sich ein Plus-Bike jederzeit und einfach mit einem zweiten Laufradsatz in einen schnellen 29er umwandeln lässt was so manche der Argumente wiederum entkräftet.
Es hängt auch hier viel davon ab auf welchen Trails man vorwiegend unterwegs ist. Auf meinen Trails hier in Südkalifornien, macht es einfach sooooo viel Spaß. Gerade auf den oft zerfurchten Wegen mit loser Schotter- oder Sandauflage vereint es für mich ideal ein hohes Maß an subjektiver Sicherheit mit toller Verspieltheit. Dennoch vermitteln Plusbikes (zumindest als Hardtails) noch immer „Gefühl von Direktheit“, das viele von uns so lieben. Je nach Fahrkönnen, kann man es bergab durchaus auch mit so manchem Fully aufnehmen und bergauf profitiert man von der endlosen Traktion fast ohne Schlupf. Seit ich das Fuse fahre haben meine anderen Bikes nur noch sehr wenig Auslauf bekommen. Und dabei bin ich erst am Anfang mit diesem Test. Neben klassischen Trailrides, plane ich auch ein paar schöne Bikepacking Reise und andere Abenteuer damit. Vielleicht nehme ich das Specialized Fuse Pro 6Fattie noch mal auf eine Runde um den White Rim Trail oder den Kokopelli Trail bei Moab. Warum nicht? Die Fuse Pro 6Fattie würde sich sicher auch bei so was gut machen (ich bin mir nur nicht sicher, ob meine Beine das auch so locker wegstecken würden ;-)).

Ich denke, ähnlich wie damals das 29er-Format, wird auch das Plus-Format dazu beitragen um Hardtails ganz neu attraktiv zu machen. Die erhöhte Traktion, das fehlerverzeihende Handling, der hohe Komfort bei dennoch weitgehend normalem Fahrgefühl machen das B+ Bike zu einer sinnvollen Option als „Ein-Bike-für-Alles“.
Was ich derzeit kaum kommentieren kann, ist wie sich die Plus-Reifen auf Fullys bewähren würden. Nach meinem Empfinden könnte es bei all der ungedämpften Federung durchaus Probleme mit den Federelementen geben. Andererseits waren c_g’s Erfahrungen mit B+ Bikes durchweg positiv – hier zum Beispiel seine Erfahrungen mit dem SCOTT Genius Plus Tuned. Ich glaube nicht, dass 2,8 bis 3,0“ breite Reifen das Idealmaß für langhubige Fullies sind, aber auch das werden wir bald in einem Test von c_g herausfinden.

Grannygear

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14 SPECI Fuse

JeffJ zeigt hier sein TREK Stache 9 (29+) und ich mein SPECIALIZED Fuse 27,5+) Testbike – wir beide sind uns einig, dass wir Plus-Formate für eine wichtige und sinnvolle Innovation halten.

Vor kurzem war ich mit JeffJ auf einer typischen Trailrunde unterwegs – er auf seinem Stache 9 29+ (das er nach dem Test vor kurzem direkt gekauft hat, so begeistert war es davon) und ich auf der SPECIALIZED Fuse Pro 6Fattie Testbike. Wir kamen beide zu dem Schluss, dass es uns schon jetzt schwer fallen würde widder den Schritt zurück zu „normalen“ Reifen hin zu machen und dass der Wechsel von 29ern auf B+ uns ähnlich grundsätzlich vorkommt, wie seinerzeit der Wechsel von 26“ auf 29er. Wir leben in interessanten Zeiten und dabei ist das nur der Anfang.