MI-TECH 29+ Customrahmen – Testfazit: von Oli

Nach nun doch ein paar Monaten auf dem MI-TECH Customrahmen für unseren 29+-Test ist es an der Zeit, ein Resümee zu ziehen. Wie Ihr ja aus den Tests der vergangenen Monate gelesen habt, habe ich das „Rössing“ (so habe ich es in dem Zwischenbericht genannt) in verschiedenen Umgebungen ausführlich getestet: Schwere Trails, längere Touren, aber auch zahlreiche Trainingsfahrten auf meinen Isar-Hometrails.

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Der 29+ Hardtailrahmen von MI-Tech hat sich bestens bewährt.

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Mit seinem gebürsteten Alurahmen ist das MI-TECH auch durch das MANITOU FS, früher mein Traumbike, geprägt.

Ich bin auf meinen Touren immer wieder nach den Details zu dem Rahmen gefragt worden und es ist auch so, dass ich selbst unter den an exklusives Material gewohnten Fullyfahrern oft mit neugierigen Blicken für dieses außergewöhnliche Bike bedacht wurde. MI-TECH aus Schalksmühle kennen hier leider nur sehr wenige – außer im Lenggrieser Raum, wo sich ein Guidekollege einen sehr schicken (blau eloxierten) MI-TECH Fatbike Rahmen hat bauen lassen. Der uns vorliegende Rahmen war nicht eloxiert, sondern Alu Natur belassen und sieht damit für mich umwerfend gut aus. Ich liebe diese Optik in Alu Natur persönlich sehr, war doch lange Jahre ein Answer Manitou FS mein Traumbike, das ich mir von meinem ersten selbst verdienten Geld nach dem Studium (unterstützt durch einen Dispo der Bank…) gekauft habe.
Alu Natur ist zeitlos und kommt dem Idealbild, das ich von unserem Sport habe, am ehesten nahe. Ich habe auch beschlossen, da ich den Rahmen nun wieder abgeben muss, meinen nächsten Alurahmen erst mal zu entlacken und ich auch naturbelassen weiter zu fahren.

Für MI-TECH sind 29+ nichts neues, setzen sie doch schon seit einiger Zeit eigenständige Designs für 29+ plus um – wie z.B. das eigene Tyke Pinion – oder sie fungieren als Rahmenhersteller für andere Marken wie KUBIS. Manche Leser mögen sich an den 29+ Vergleichstest im Vorjahr erinnern.
Allerdings war es jetzt mit dem MI-Tech ja anders. Hier hatten wir die Chance, einen Rahmen ganz nach unseren Bedürfnissen bauen zu lassen, der von der Geometrie her dem entspricht was wir zu dem Zeitpunkt für ein 29+ Hardtail als Trailbike als ideal gefunden haben: Nicht zu flacher Sitzwinkel, kurze Kettenstreben, Oberrohr gemäßigt kurz, Steuerrohr nicht zu lang, … usw. Zu den Geodaten verweise ich lieber auf den Introartikel hier. Nun ist es aber meine Aufgabe ein Resumé zu ziehen, auch zur Geometrie, die ja auf unseren eigenen Wunsch hin so ausgelegt worden war. Ich könnte jetzt sagen: Alles super, genau richtig! Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Zum einen ist gerade das 29+ Format noch so neu, dass keiner behaupten kann genau zu wissen was wirklich funktioniert … auch wir nicht. Und zum anderen hatten einige unserer Spezialwünschen auch Konsequenzen, die sich eben nicht immer als optimal herausgestellt haben. Deshalb. Liebe Leser, versteht die Kritik nicht als Kritik am Rahmen an sich oder am Hersteller, sondern als Lernstunde, was es beim Rahmenbau für 29+ im Gegensatz zu einem „normalen“ 29er zu beachten gilt.

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Auch in alpinem Gelände hat sich das MI-TECH 29+ bestens bewährt.

Zuerst ein paar Worte zur Geometrie: Ich fand das Bike so wie es war es für mich absolut ideal. Ein besseres Trailbike bin ich lange nicht gefahren, schon gar kein Hardtail. Die kurzen Kettenstreben (von 435 mm in der vordersten Position) haben sich als ideal erwiesen und ich hatte auch kein Problem mit dem Aufbäumen beim Bergauffahren – wie es etwa Grannygear mit dem TREK Stache 9 hatte. Im Gegenteil: Die Absenkfunktion der Flame habe ich wirklich nur in Ausnahmefällen benötigt, ich bin jeden steilen Berg sehr gut damit hochgekommen – so lange meine Beine wegen der Übersetzung mitgemacht haben. Super und besonders spannend fand ich auch, dass wir komplett ohne den Boost-Standard ausgekommen sind – ein klarer Gegenbeweis für die aktuelle Meinung, dass man für Plus unbedingt Boost bräuchte. Am TREK Stache hatte ich das Problem mit schleifenden Hacken, Grannygear mit dem Unterschenkel. Hier a, MI-TECH gab es das nicht und das fand ich allein schon bemerkenswert.
Auch nachdem ich mittlerweile etwas mehr über die Plus-Formate gelernt habe – wenn es mien persönliches Bike wäre, würde ich das MI-TECH wieder genau so in Auftrag geben und bauen lassen – mit ein paar kleinen Änderungen, die ich im Folgenden noch nenne.

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Trailsurfing ist mit dem Bike ins Wucht – nur mit manchen Gabelkronen wird’s eng.

Steuerrohr & Gusset: Das Gusset unter dem Steuerrohr bringt die zusätzliche Steifigkeit, hat aber auch einen Haken. Bauartbedingt müssen 29+ Fatbike Federgabeln an der Gabelkrone breiter bauen oder das Unterrohr mit einem Schwung versehen, damit die Gable darunter durch passt. Da ich ja erst mit der Enve Carbon Gabel unterwegs war, ist mir das nicht bewusst gewesen, dass das problematisch werden könnte, bei meinem schweren Sturz mit der verbauten GERMAN:A Flame (hier getestet) am Hirschbergtrail wurde mir das aber schmerzlich bewusst. Damals bin ich in einen Fluß gestürzt, habe mich überschlagen und die frisch montierte Federgabel hat sich schlagartig verdreht und verkeilt. Nur mit sanfter Gewalt ließ sich die Gabel wieder zurück drehen. Das bedeutet, dass – wenn man mit geradem Unterrohr arbeitet wie hier, muss man ein nach unten leicht verlängertes Steuerrohr einsetzen.

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Der schicke Schwung im Sitzrohr sieht gut aus, hat aber auch Nachteile.

Sitzrohr: Der Wunsch war, einen nicht zu steilen Sitzwinkel zu bekommen und trotzdem einen kurzen Hinterbau zu haben. Jeder Hersteller löst das ein bisschen anders. Manche setzen das Sitzrohr am vorderen Rand des Tretlagers oder sogar am Unterrohr an, andere knicken das Sitzrohr, MI-TECH hatte sich entschieden, das – wie bei einem Fully – mit einem galanten Schwung zu lösen. Über die Ästhetik dieser Lösung kann man streiten. Die einen fanden es super, die anderen fanden es unschön. Mir gefiel es erst nach einer gewissen Zeit – dann aber richtig. Der Schwung hat aber einen gravierenden Nachteil wenn man eine starren Sattelstütze fährt. Ein Absenken ist hier sehr eingeschränkt möglich, da die Biegung bereits ca. 15 cm unter der Sitzrohroberkante beginnt. Mit einer absenkbaren Stütze, wieder hier gezeigten ROCK SHOX Reverb war das Thema dann ohnehin gegessen. Hier verschwindet das Rohr im Rohr der Sattelstütze selbst – und nicht im Sitzrohr.

Kettenstreben: Was MI-TECH hier auf meinen Wunsch gemacht hat, war, möglichst kurze kompakte Kettenstreben zu erreichen – dies vor allem vor dem Hintergrund dem in meine Augen zu langen Hinterbau der beiden oben genannten KUBIS BikDig Bikes. Genau das wurde auch umgesetzt und hat zweifellos zu der guten Performance im Trail beigetragen. In engen, winkligen Trails empfand ich das Bike trotz des Laufraddurchmessers als richtiggehend spritzig. Toll!
Allerdings habeich mir die kurzen Kettenstreben auch mit einem Kompromiss erkauft. Weil die Kettenstreben schon sofort hinter dem Tretlager wieder breiter werden müssen, um genügend Raum für bis zu 80mm breite Reifen zu schaffen. Selbst wenn die Kettenstreben hierzu extrem abgeflacht werden reicht das leider nicht um mehrfach Kurbeln damit zu fahren. So musste ich mich auch hier mit einer Einfach-Kurbel begnügen. Im Speziellen war das die ROTOR Rex 1.1 mit dem ovalen Kettenblatt die c_g vorher ja getestet hatte. Um den maximalen Radius des ovalen 30er Kettenblattes (entspricht einem runden 32er) gerade noch sicher am Rahmen vorbei zu führen, musste ich die Kurbel ordentlich nach außen spacern, um nicht am Rahmen zu schleifen. Gott sein Dank bei der ROTOR kein Problem, aber mit anderen Kurbeln wäre es evtl. eng geworden.

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(Nur bei der Kettenblatt-Freiheit und dem Kettenfreigang würden wir den nächsten Rahmen im Detail optimieren.)

Mit einer SRAM X1 Kurbel mit 32 Zähnen war der Raum ebenfalls sehr eng. Mangels Alternative kann ich derzeit nur sagen, dass der Rahmen mehr als 30 Zähne nicht verträgt. Das passt allerdings auch zu meiner (und Grannygears) Erfahrung, was die optimale Übersetzung für die riesigen 29+ Reien betrifft. Bedingt durch den vergrößerten Reifendurchmesser (aus 29“ wird effektiv 30,5“) muss und kann man vorne gut auf ein paar Zähne verzichten, um bei langen Anstiegen nicht ständig das Bike schieben zu müssen.

Verstellbare Ausfallenden: Mein Wunsch war, eine singelspeed-taugliche oder Rohlofftaugliche Lösung zu finden, die gleichzeitig auch einen Gatesantrieb ermöglicht. MI-TECH hat das mistergültig mit den eigenen Ausfallenden gelöst, was ich erst einmal großartig finde. Leider hatte die Sache zwei Haken: Offensichtlich setzt dabei die Kettenstrebe so hoch über der Achse an, dass im kleinsten Ritzel bei 11-fach die Kette so knapp an der Kettenstrebe läuft, dass noch nicht einmal ein Kettenstrebenschutz aus Neopren mehr Platz findet. Es ist schlicht zu knapp.
Außerdem hatte ich gehofft (deswegen auch der Schnellspanner hinten und keine Steckachse), meinen BobYak Anhänger an dem Bike nutzen zu können. Doch leider sind hier die beiden Klemmschrauben für den Slider im Weg. Das ist aber nur eine Kleinigkeit.

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Selbst auf dem Oktoberfest ist das MI-TECH 29+ nicht fehl am Platz

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Fazit: Mit ein paar kleinen Anpassungen (siehe oben) wäre für mich das MI-TECH 29+ das beste Trailhardtail, das ich bisher gefahren bin. Die oben genannten Probleme lassen sich alle mit wenig Aufwand lösen und wenn mal ein Serienrahmen auf Basis unsere Customprojektes rauskommt werde ich schwer in Versuchung kommen, ihn mir nicht für privat zu kaufen. Ein großes Dankeschön an MI-Tech für das Ermöglichen dieses Projektbikes und die Bereitstellung des Rahmens für die Saison.)

Oli