JONES BIKES H-Bar 710 Loop Carbon – Erster Praxiseindruck: von c_g
(bisher hierzu erschienen: JONES H-Bar – Testintro und Vorstellung – Bend H-Bar)

Der JONES H-Bar, den wir euch bereits im Intro vorgestellt haben, ist in seiner Form etwas ganz besonderes. Wer bei dem 20° geschwungenen ANSWER 20/20 gedacht hat, das wäre extrem, wird den H-bar als echt „abgefahren“ ansehen. Ob mir die 45° Kröpfung und der immense Bewegungsspielraum nach vorne und hinten mit dem Lenker taugen würden … ich war wirklich gespannt und auch ein wenig skeptisch.12 JONES H-Bar

Die allererste Hürde stellte schon mal die Montage der überlangen ESI Griffe dar, die Jeff mir mit dem Lenker geschickt hatte. Mann, die Dinger brauchen vielleicht Kraft bie der Montage. Selbst gut angenässt mit Wasser, brauchte ich gut 20 mm je Griff, bis sie in um in Position gebracht waren und fürchtete danach mir eine Sehnenscheidenentzündung geholt zu haben J. Mann hätte ich mir in dem Moment ein paar Schraubgriffe gewünscht.
Ein Thema bei der Montage ist übrigens auch die Leitungslänge. Während meine SRAM Guide RS, bisher eher etwas zu lange Leitunge hatte, war zumindest die vordere auf dem H-Bar plötzlich fast schon zu kurz. Durch die extreme Kröpfung gehen die Leitungen hier zuerst mal nach vorne und dann in einem Bogen wieder nach hinten zu schwenken. Kein Kritikpunkt an dem Lenker, aber ein Punkt, auf den man bei der Montage achten sollte.

Die Optik des H-Bar ist auf den ersten Blick sehr gewöhnungsbedürftig. Anfangs emfand ich ihn nicht wirklich als Zierde für das Bike, aber irgendwie passt er dann doch ganz gut an das LeSS … zumal bei dem Aufbau sowieso die noch ungewöhnlichere LAUF Trailracer Gabel alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, so dass der Lenker optisch fast schon untergeht.

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Die nächste Herausforderung war das Ausrichten des Lenkers. Bei den vielen Griffpositionen machen ein paar Grad Neigung mehr oder weniger gleich einen sehr wohl fühlbaren Unterschied. Nach längerem Hin und her habe ich mich schließlich mit einer fast horizontalen Position am besten anfreunden können.

Bis ich dorthin gekommen war, brauchte es allerdings schon einen echten Eingewöhnungsprozess. Nach Montage und bei der ersten Ausfahrt, war ich zuerst entsetzt, wie merkwürdig sich das sonst so geliebte PIVOT LeSS sich fährt. Irgendwie wollte es mir so gar nicht gefallen und ich bin die ersten Trails regelrecht dahingeeiert. Auch empfand ich zuerst nur eine Griffposition als richtig – nämlich die durch die Position der Bremshebel vorgebene kurz hinter der Verbindung zur Querstange. Die war allerdings mit gerade mal 580 mm ausgesprochen schmal um damit im Wiegetritt sicher zu fahren. Nach gut 3 h, am Ende der ersten Ausfahrt, war das Gefühl etwas ganz skurriles am Bike zu fahren zwar schon schwächer, aber von Begeisterung war ich weit entfernt.

Jeff Jones ist sich der Problematik des Erstkontaktes und einer längeren Eingewöhnung sehr wohl bewusst und hat schon im Vorfeld des Testes darauf aufmerksam gemacht. Er meinte sogar, das manche Fahrer mehrere Wochen (!) bräuchten um sich umzugewöhnen, dass die Vorteile dann aber bisher noch jeden überzeugt hätten. Er ging sogar soweit zu sagen, dass bisher jeder Tester, der den H-Bar länger gefahren hätte, ihn nach dem Test für sich privat gekauft hätte. Ich jedenfalls war nach der ersten Tour mit dem H-Bar Lenker weit davon entfernt ihn mir kaufen zu wollen ;-). Also bin ich ihn weiter gefahren, habe ihm eine echte Chance gegeben.

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Die erste Veränderung, die ich bemerkt habe, war dass ich ganz intuitiv angefangen habe immer mehr Griffpositionen zu fahren. Auf geraden Trails und Fortstrassen gerne weiter vorne oder an der Querstange. Auf moderaten Trails auch gerne im Mittelbereich, wo die angenehm geformte Verbindung zur Querstange gute Möglichkeiten bietet sich mit dem Daumen festzuhaken. Die hinteren Griffpositionen waren dafür sowohl für echte Downhillaktionen, wie auch für aggressives Fahren im Wiegetritt bestens geeignet.

10 JONES H-BarJeff hatte mir die hintere Position im Wiegetritt auch so vorgestellt, dass sie der Haltung beim Schieben eines schweren Schubkarrens recht ähnlich käme und manchmal musste ich an dieses Bild denken, wenn ich so mit maximaler Wattleistung mich manchen Anstieg mit dem Singlespeeder hochgekämpft habe. Das waren dann auch die ersten Momente, wo ich mir gedacht habe, dass der H-Bar wirklich gut ist. Gerade im Wiegetritt war es fast so als würde ich den Berg „hochrennen“ anstatt sonst etwas unnatürlich zwischen Bike und Lenker eingekeilt zu sein und dazwischen mein Bestes zu geben. Auch hier zeigt sich für mich, dass viel Kröpfung sich für mich im Wiegetritt positiv auswirkt, obgleich beim H-bar die nach hinten verlagerte Armhaltung noch zusätzlich hinzu kommt.

Im Downhill hat die hintere Griffposition gleich zwei Vorzüge: Einerseits wird der Körperschwerpunkt hier weiter nach hinten gesetzt, was weniger Überschlagsgefühle provoziert und andererseits wird auch der Bewegungsspielraum hinter dem Sattel erhöht. Gerade in einer Zeit, wo ich es gewohnt bin fast jede Abfahrt meine Dropper-Stütze einfach abzusenken, war es interessant zu sehen, wie weit ich gehen konnte, ehe die Stütze runter musste.
Außerdem hatte ich immer das Gefühl, dass der Lenker sich breiter anfühlt, als er wirklich ist. Die reale Breite in dem Griffbereich der gegenüber der Bremse richtig liegt nämlich gerade zwischen 600 und 650 mm, fühlt sich subjektiv aber mehr wie 680 bis 700 mm an.

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Ein Defizit muss ich aber gleich ansprechen. Der Physikalische Platzbedarf des Lenkers. Bei normalem Fahren, auch in technischem Gelände gab es nie Probleme, aber beim Wenden oder in Spitzkehren bin ich dann doch hin und wieder mit dem Lenker an meinen Beinen angestoßen, was in dem Moment durchaus für ein kurzes Unsicherheitsgefühl sorgt.

Genial ist dafür der nutzbare Platz im vorderen „Loop“. Ich hatte zwar bisher nur meine LUPINE Lampe montiert, die hier aber perfekt mittig und prominent den Trail ausleuchten konnte, aber wer zusätzliche Taschen, GPS, Radcomputer, oder weiß ich was noch alles montieren will, findet hier garantiert genug Platz. Für Bikepacking ist der JONES H-Bar garantiert ein Traum.

9 hbar-positions-anim-v2Und damit kommen wir auch schon zu dem, wovon ich denke, dass der H-Bar am meisten Vorteile bringt – lange Touren. Je mehr ich ihn fahre und je länger die Touren werden, desto mehr genieße ich die diversen Griffpositionen, mit denen ich nicht nur die Handgelenke und Arme entlasten kann, sondern auch den Rücken aus seiner bisherigen eintönigen Zwangsposition befreie. Was ich sonst eher durch Aufstehen und „Auflockerngswiegetritt“ erreicht habe, schafft der H-Bar ganz von sich, indem er so viel Bewegungsspielraum bietet.
Vielleicht liegt es auch an der noch nicht ganz abgeschlossenen „Eingewöhnungsphase“, aber bisher kann ich der extremsten Positionen vorne und hinten noch wenig abgewinnen. Ganz hinten würde ich gerne im Downhill fahren, komme dann aber nicht mehr an die Bremse ( L) und ganz vorne empfinde ich als so gestreckt, dass ich die bisher nur für aerodynamische Vorteile (etwa bei heftigem Gegenwind) hin und wieder genutzt habe.

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Soweit zu den allerersten Erfahrungen mit dem JONES H-Bar 710 Loop Carbon. Noch habe ich mich damit nicht komplett angefreundet, aber die erste Skepsis ist mittlerweile immer weiter gewichen und ist in manchen Aspekten echter Begeisterung gewichen: Ob sich das noch in die bisher übrigen Bereiche ausdehnt, wie technische Trails, wo ich damit zwar mittlerweile recht gut zurecht komme, mit anderen Lankern aber weiterhin sicherer fühle …. ob auch ich am Ende den H-Bar so genial finde, dass ich ihn für mich kaufen werde … das muss der weitere Verlauf des Tests zeigen.
Nur schade, dass ich mich bald von meinem mittlerweile sehr liebgewonnenen Projekt LeSS trennen werde müssen. Dann wird der H-Bar Test aber auf einem anderen Bike fortgesetzt.

RIDE ON,
c_g