CUBE Stereo Hybrid 120 SL 29– Erster Eindruck (Teil 2): von c_g
(bisher erschienene Artikel dazu: CUBE Stereo Hybrid Testintro & Praxiseindrücke – Teil 1)

In dem letzen Artikel habe ich mich ausführlich mit Handling, Gewicht und Geometrie des CUBE Stereo Hybrid 29er Pedelec-Fullies auseinander gesetzt. Jetzt soll der Schwerpunkt auf dem Antrieb selbst liegen.

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Power und Leistung wären vorhanden, aber wie genau wird sie auf dem Trail entfaltet – eines der spannendsten Themen bei MTB-Pedelecs.

Motorleistung

Wie schon gesagt, der BOSCH Performance Line Antrieb verfügt über 4 Unterstützungsstufen, mit denen man es selbst in der Hand hat, „wie mühelos“ sich das Pedelec fährt. Die Wahl erfolgt über den Schalter am Griff, den ich genau wie den Remote für die Reverb-Stütze schon recht bald von rechts nach links montiert habe.

Hier die einzelnen Unterstützungsstufen:

Mit der „ECO- Stufe“ unterstützt der Motor die Eigenleistung um weitere 50%, in der „Tour-Stufe“ schon um 120%, die „Sport-Stufe“ bringt es auf zusätzliche 190 % und mit dem höchsten „Turbo-Stufe“ sind es ganze 275%.

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Vier Antriebsstufen (Turbo, Sport, Tour und Eco) stehen zur Auswahl. Der rechte Balken zeigt an wie viel der zur Verfügungsgehenden 250 Watt Zusatzleistung aktuell abgerufen werden.

Hierbei gilt es allerdings die Eigenleistung und maximale Zusatzleistung des Motors von 250 W zu beachten. Soll heißen, wenn ein durchschnittlich sportlicher Fahrer auf Dauer mit 150-200 Watt in die Pedale drückt, dann erreicht der Motor bereits in der Sport-Stufe seine Maximalleistung. Wer richtig viel Kraft in den Beinen hat, schafft die 250 W Zusatzleistung auch schon in der Tour Stufe abzurufen.

Anfangs habe ich frei mit den Unterstützungsstufen experimentiert und einfach frei alles durchprobiert:
Dabei hat sich sehr schnell gezeigt, dass die Turbo-Stufe für jeden halbwegs normal fitten Menschen ein absoluter Overkill ist und ihrem Namen alle Ehre macht. Zum einen saugt sie den Akku unglaublich schnell leer und zum anderen ist die Unterstützung so ungestüm, dass ich das Gefühl hatte über normale Singletrails einfach nur drüber zu rumpeln. Selbst bergauf musste ich ständig durch aktives Bremsen nachregeln wenn der Motor noch nach vorne schiebt, während man selber mit etwas mehr Finesse fahren will. Für halbwegs technischen Trails ist diese Stufe daher oft fehl am Platze. Nach den ersten Versuchen damit habe ich den „Turbo“ dann auch weitgehend ignoriert.
Anmerkung: Den einzigen echten Sinn der Turbo-Stufe sehe ich für Fahrer mit Handicaps, aber wohlgemerkt mit der Einschränkung, dass der Fahrer auch in der Lage sein muss die eher ungestümen Kräfte auch sicher zu kontrollieren. Nachdem man diese Stufe eben nicht nur an Sportbikes mit (hoffentlich) geübten Fahrern findet, sondern auch echten Stadt- und auch Seniorenrädern, halte ich sie für einen nicht ungefährlichen Gimmick auf den ich gerne verzichten würde.

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Bergauf zählt nicht nur die pure Kraft, sonder auch viel das Feingefühl, wie die kraft entfaltet wird.

Die Sport-Stufe ist schon etwas zahmer, liegt für mich aber immer noch am oberen Ende dessen, was ich für wirklich trailtauglich halte. Soll heißen, solange der Trail wenig Finesse und Fahrtechnik vom Fahrer erfordert, genug Traktion bietet oder einfach nur steil nach oben zieht, ist es als würde man durch eine unsichtbare Hand überall dorthin geschoben, wohin man sich sonst nur mit viel Mühe bewegt hätte. Sobald der Trail aber technischer wird, ist auch hier der Motor in seiner Leistungsentfaltung für meinen Geschmack noch einen Tick zu dominant und die Motorsteuerung noch ein bisschen zu grob. Es kam zwar viel seltener vor wie im Turbo, aber auch hier musste ich das Bike hin und wieder mit der Bremse in seinem Vorwärtsdrang zügeln.
Andererseits ist in der Sport-Stufe das breite Grinsen im Gesicht des sportlichen und geübten Fahrers vorherbestimmt. Hier treffen ein Riesenvortrieb bei gerade noch trailtauglicher Steuerung zusammen. Am Anfang des Tests habe ich den Modus noch als ein wenig „zu viel Pedelec“ erlebt , aber wie es manchmal so kommt, man gewöhnt sich daran und fängt an den Luxus als Spaß zu genießen. Auf einer meiner letzten Ausfahrten bei Idealbedingungen habe ich aus Übermut mal versucht eine wurzelübersäte Downhillstrecke bergauf zu fahren, die ich bisher aus eigener Kraft nie geschafft habe … und bin sie bereits beim 1. Versuch komplett durchgefahren!!

Die beiden unteren Stufen „Eco“ und „Tour“ dagegen sind nahe an dem sind was man als „natürliches Fahrgefühl“ bezeichnen würde. In der Eco Stufe ist die Unterstützung recht dezent, in der Tour Stufe etwas sportlicher. Es kann sich durchaus nur subjektiv so anfühlen, aber mir scheint es, als würde der Motor in diesen beiden Stufen am feinfühligsten auf den Antritt des Fahrers zu reagieren – sehr schnell den Schub rausnehmen, wenn man nicht mehr in die Pedale tritt und wenn man den Pedaldruck erhöht prompt aber eben eher dezent beschleunigen. Deswegen halte ich die beiden Stufen auch für am ehesten geeignet für technische Trails. Außerdem bieten sie den größten Aktionsradius weil der Akku am wenigsten belastet wird – mehr dazu aber in einem späteren Post.

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Motorsteuerung

An sich würde man erwarteten, dass man mit dem Pedelec immer ausreichend Kraft und Reserven hätte um damit alles zu fahren und dennoch genauso feinfühlig über traktionsschwache Stellen fährt, wie normal. Doch wer sich zum ersten mal mit einem Pedelc auf echten Trails bewegt, lernt schnell was für ein Wunderwerk unsere Beine und die gesamte gut geschulte Körpermotorik doch ist, und wie schwer es sein muss, das elektronisch nachzubilden.

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Die Antriebssteuerung erfolgt über die Sensorik in der Motoreinheit.

So durfte ich in den letzten Wochen mit dem Pedelec lernen, dass es mit einem solchen Bike ähnlich wie beim Singlespeeder darum geht nie den Schwung zu verlieren. Der Grund hierfür ist in der sehr intelligenten, aber eben nicht perfekten Antriebssteuerung begründet. Soweit ich das System bisher verstanden habe, gibt es drei Eingangsgrößen welche die Motorleistung steuern und nach Aussage von BOSCH bis zu 1000 (!) mal pro Sekunde abgerufen werden:

  1. Die Eigenleistung (in Watt) als die Kraft mit der man in die Pedale tritt
  2. Die Kadenz, also Zahl der Kurbelumdrehungen pro Minute
  3. Die Geschwindigkeit
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Der Sensor zur Geschwindigkeitsmessung mit Speichenmagnet.

Die Geschwindigkeit scheint dabei die einfachste Regelgröße zu sein, denn sie definiert einfach ab wann der Motor seine Leistung runterregelt bzw. ganz abschaltet – nämlich ab ca. 25 km/h bei einem Pedelec wie dem von mir gefahrenen CUBE Stereo Hybrid (oder eben 45 km/h bei einem sogenannten S-Pedelec). Das heißt, sobald man nahe 25 km/h schnell fährt, regelt der Motor ab. Der Sensor hierzu ist übrigens fest im Hinterbau montiert und wird über einen Speichenmagenten getaktet. Nachdem das clever gelöst nicht plötzlich passiert, sondern stufenweise ist der Abregelvorgang in den meisten Fällen kaum wirklich zu spüren. Erst wenn man auf den Tacho blickt, erkennt man, dass man bereits ganz ohne Zusatzantrieb dahinfährt. Nur manchmal auf Asphalt, in einer hohen Unterstützungsstufe und wenn man sich genau im Bereich der Abriegelgeschwindigkeit bewegt, spürt man den Wechsel aus Zu- und Abschalten des Motors als etwas irritierend, sonst nicht.
Wo einem die 25 km/h Abregelung wirklich etwas sauer aufstösst, ist wenn man nach einem schnellen Downhill einen Gegenanstieg hat, den man mit einem normalen Bike einfach ein paar Mal kräftig antritt und damit den Schwung noch weit hineinträgt oder die Steigung sogar ganz schafft. Hier wirken die Gesetze der Schwerkraft (schweres Bike) und die Abregelgeschwindigkeit (ab 25 km/h) klar gegen die Fahrfreude und man spürt wie wenig direkt das Bike auf Antrittsimpulse reagiert. Erst wenn man wieder unter 25 km/h kommt, und der Motor anfängt leise zu surren stellt sich wieder das beschwingt lockere Gefühl bergauf ein.

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In steilen rutschigen Trails über Wurzeln ist neben der Kraft auch das Feingefühl von oberster Bedeutung

Die Eigenleistung und Tittfrequenz (Kadenz) sind die Hauptregelgrößen der Motorleistung. Mehr noch als die Motorleistung selbst ist es die nach meinem Empfinden die Steuerung, die darüber bestimmt, wie feinfühlig und natürlich sich der Zusatzantrieb anfühlt – und hier gibt es für einen sportlichen Biker ebenfalls Licht und Schatten.
So gibt es eine echte Anfahrhilfe. Die bemerkt wenn man Druck auf die Kurbel gibt und gibt dem Motor sofort den Impuls, loszufeuern. Anfangs etwas ungewohnt ist das beim Anfahren in einer Steigung durchaus positiv und eine echte Erleichterung.

Anders dagegen während der Fahrt wo die Trittfrequenz und Pedaldruck als Kenngrößen zusammenwirken. In den meisten Fällen funktioniert das sehr gut: Erhöht man den Druck auf die Pedale erhöht der Motor die Leistung, Ebenso wenn man in einen niedrigeren Gang schaltet und damit die Frequenz, nicht aber den Druck erhöht. Beschleunigt man durch starken Antritt, also hoher Pedaldruck und steigende Trittfrequenz – fügt der Motor seinen Anteil stimmig hinzu.
Mitunter gibt es allerdings Probleme. Nämlich dann wenn man sich verschaltet und im Anstieg versehentlich einen zu schweren Gang einlegt oder weil man nicht rechtzeitig in einen kleineren Gang schaltet und so in eine sehr geringe Trittfrequenz gerät. Anstatt dass die Elektronik dann zusätzlich Kraft in den Antrieb pumpt, regelt dann nämlich auch der Antrieb weiter runter und man bleibt mitunter regelrecht am Berg hängen.

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Das große Übersetzungsspektrum der 10-4 Kassette ist hier ein Riesenvorteil.

Dieser für sportliches Mountainbiken nicht optimalen Motorsteuerung, bei der niedrigere Trittfrequenzen auch weniger Zusatzleistung erhalten, ist es auch zu verdanken, dass ich bei der Bestellung des Testbikes großen Wert darauf gelegt habe, eine maximale Bandbreite über die 10-42er Kassette aus dem SRAM XX1 Antrieb zu haben. Leider gibt es beim BOSCH Antrieb keine Möglichkeit vorne 2 Kettenblätter zu fahren und dementsprechend sehe ich hier noch echtes Potential den Antrieb für den Einsatz am MTB steuerungs- und softwaretechnisch zu verbessern.

Eine weitere Archillesverse der Motorsteuerung ist ihre manchmal langsame Reaktionszeit. In technischen Passagen, etwa, wenn man kurz vor einer Stufe zum Stillstand kommt um dann mit einem kräftigen Antritt drüber will, ist es ähnlich. Einmal merkt man wie das gesamte Bike doch sehr schwer und damit träge ist und zum anderen reagiert der Antrieb dann minimal zeitverzögert. In engen Kehren oder beim Wenden auf engem Raum stellt sich dadurch ebenfalls ein ungewohntes Fahrgefühl ein, denn der Antritt und die Zusatzleistung arbeiten nicht immer 100% synchron. Auch wenn es sich nur um Bruchteile von Sekunden handelt, entschieden oft diese darüber, ob man eine Schlüsselstelle noch fährt oder schon absteigen muss.

–> Aus all den oben genannten Gründen musste ich mit dem CUBE Stereo – genauso wie mit dem Singlespeeder – zuerst wieder ganz neu lernen mehr mit dem vorhandenen Schwung zu arbeiten. Manche Instinkte und Bewegungsabläufe, die man über Jahre hinweg mit dem MTB gelernt und eingeübt hat, sind mit dem schweren Pedelec MTB eben nicht immer möglich – hierzu ist die bewegte Masse einfach zu groß und die Motorsteuerung noch nicht perfekt ausgereift.

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Ein Klassiker. Auch wenn man hier kurz den Antrieb entlastet um die Wurzeln zu überrollen, schiebt der Motor noch nach und sorgt auf rutschigem Untergrund für durchdrehende Reifen.

Andersherum reagiert der Motor auch nicht immer sofort auf eine Rücknahme des Pedaldrucks. Vor allem auf den rutschig nassen Trails in der ersten Testwochen, kam es so recht oft zu durchdrehenden Reifen über Wurzeln, weil die feine Beinarbeit zu welcher unsere Muskulatur scheinbar ganz selbstverständlich in der Lage ist, nicht genauso sensible in der Motorsteuerung übernommen und umgesetzt werden kann. Besonders hier bin ich mit den beiden unteren Unterstützungsstufen Tour und Eco sehr viel besser zurecht gekommen. Mit Sport und Turbo war durch die ungestüme Kraftentfaltung des E-Motors dann doch viel zu schnell das Ende der Traktion erreicht und der Hinterreifen hat oft durchgedreht. Bei griffigen Trails ist das wiederum fast kein Thema mehr.

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Nicht dafür gemacht, aber auch mit abgeschaltetem Antrieb ist das MTB Pedellen noch artgerecht zu bewegen.

An der Stelle auch kurz die Anmerkung wie sich das Pedelec fährt, wenn der Akku leer ist, oder man den Motor einfach abschaltet: Bedingt durch die Abregelung ab 25 km/h lernt man sehr schnell, dass man das MTB-Pedlec in der Ebene sehr wohl auch ganz ohne Antrieb fahren kann. Die Reibung im System und massenbedingte Trägheit sind zwar vorhanden aber hier keineswegs so störend wie ich selber erwartet hatte. Nur wenn man steil bergauf fährt wird aus dem „kleinen bisschen Zusatzlast“ ein echter Kraftakt der einem mit zunehmender Steilheit auch wirklich die Laune verderben kann. Wobei vieles dabei auch echte Kopfsache ist. Ich bin schon eine paar Ausfahrten mit dem Stereo Hybrid ganz ohne Antrieb gefahren (zum Teil auch ohne Akku) und fand es zwar etwas anstrengender, aber gar nicht soo schlimm – ein bisschen wie wenn man einfach ein sehr schweres Bike fahren würde. Anders herum, wenn man während der Tour den Antrieb abschaltet und den gleichen Anstieg noch mal ohne Unterstützung fährt, fühlt es sich „unsäglich anstrengend“ an und man fühlt sich fast als würde man beim Antritt in Teig treten. Merkwürdig wie unser Hirn uns selbst austricksen kann, oder? Wie gesagt, E-Bike Fahren ist auch eine Frage der persönlichen Einstellung.

Soweit zum sehr komplexen Thema des Antriebs selber, der Steuerung und wie beide unser Leistungsempfinden mitunter ganz schön ins Schlingern bringen. Im nächsten Artikel werde ich noch ein wenig auf die Peripherie, also die Anbauteile und Schaltung eingehen und ein paar Beobachtungen zum zentralen Thema der Akku-Reichweite äußern.

RIDE ON,
c_g