ROCK SHOX RS-1 – Testabschluss: von Thomas Hebestreit

Das vermehrte Blitzlichtgewitter vom Rand der Rennstrecke galt wider Erwarten weniger unserem Tester als vielmehr der brandneuen und noch wenig vertretenen Rock Shox RS-1. Wer interessiert sich schon für einen Fahrer in den Top20 bei den Masters? Statt Autogramme forderten Zuschauer Auskünfte über das brandneue und durchaus famose Stück Federungstechnologie. Testfahrer Thomas Hebestreit gab bereitwillig Auskunft – teilweise noch während des Rennens. Weil derartige Aussagen in der Regel auf ein geschnauftes „Klasse“ oder gehecheltes „genial“ reduziert waren, hier unser ausführlicher Testabschluss.

57 RS-1Die Rock Shox RS-1 testen wir nun schon dreieinhalb Monate und somit länger als die meisten anderen Federgabeln. Das liegt zum einen an den vielen neuen Technologien dieser besonderen Gabel, aber sicher auch daran, dass sie uns so viel Spaß gemacht hat.

Im Intro informierten wir detailliert über Bauform, Konzept und technische Daten. Im Zwischenstand konnten wir nach reichlichem Renn- und Trainingseinsatz bestätigen, dass die RS-1 unsere hohen Erwartungen mehr als nur erfüllt hat. Und in der letzten Testphase jagten wir die RS-1 neben zahlreichen Trainingsausfahrten für Fortgeschrittene und Touren noch mehrmals über die Rennpiste.

53 RS-1

Die ROCK SHOX RS-1 kann es gemütlich, aber wer ihr richtig die Sporen gibt, merkt erst was sie wirklich kann.

Vor allem die Erfahrungen zum Thema Steifigkeit sind sehr interessant. Im Zwischenstand berichteten wir bereits von unseren Erfahrungen, die zeigten, dass die RS-1 trotz ihrer keineswegs herausragenden Torsionsteifigkeit im Fahrbetrieb keinerlei Defizite oder Einschränkungen erkennen ließ. Einen großen Anteil daran haben sicher die völlig neu konstruierten Ausfallenden mit der dazu passenden Nabe. Rock Shox nennt dieses System Predicitive Steering und behält den 15 mm Achsdurchmesser zwar bei, geht aber gleich auf eine 110er Nabenbreite. Das führt dazu, dass herkömmliche Naben mit der Upsidedown-Gabel nicht kombinierbar sind. Was uns auch zum einzigen echten Kritikpunkt an der ROCK SHOX RS-1 führt – die hohen Kosten beim Nachrüsten. Bei einem empfohlenen VK bei 1659.- Euro (online bereits ab ca. 1300.- Euro) und der Notwendigkeit zumindest ein Predictive-Steering-Vorderrad oder eine Nabe zu kaufen, sollte man sich gründlich überlegen, ob man ein solches Upgrade wirklich unternehmen will. Funktional können wir es 100% befürworten, preislich ist es noch etwas fragwürdig.

60 RS-1

Optisch ist jedes Bike mit der RS-1 garantiert aufgewertet, doch auch die Funktion weiß zu überzeugen.

Wenn man sieht, wie viele Hersteller im Modelljahr 2015 bei ihren Bikes auf die RS-1 setzen, fällt auf, dass nicht alle sich den Sprung in dieses noch ungewisse Gewässer wagen – die meisten haben nur immer einige wenige Modelle im Top-End-Bereich. Das kann aber durchaus sehr interessant sein, denn eine kurze Websuche hat ergeben, dass es voll renntaugliche Hardtails mit der RS-1 schon zwischen 2500 und 2800.- € und bereits erste stimmig ausgestattete Fullies ab 3000.- € zu kaufen gibt. Da lohnt sich die Investition durchaus.

54 RS-1

Auch lange Trainingsausfahrten gehörten zum Test-Repertoire.

Echte funktionelle Kritikpunkte konnten wir an der Upside-Down-Gabel keine ausmachen. Einzig die Montage der Steckachse des Vorderrades erweist sich für Ungeübte als etwas fummelig, weil sich die Tauchrohre mit den Predictive Steering-Ausfallenden konstruktionsbedingt verdrehen lassen. Nach etwas Gewöhnung lässt sich dies jedoch problemlos bewerkstelligen. Die lässige Ein-Hand-Montage wie an anderen Gabelmodellen geht auch nach monatelangem Üben nicht.

56 RS-1Neben der schon im letzten Bericht erwähnten grandiosen Federungsperformance erfreut Rock Shox den geneigten Biker mit durchdachten Details. So ist die Führung für die Bremsleitung einfach aber clever gelöst: bei optimaler Leitungslänge scheuert oder klappert nichts. Apropos Performance: Das Dig Valve sorgt dafür, dass die Gabel nur dann den ganzen Federweg freigibt, wenn es der Untergrund auch wirklich erfordert. So spricht die Gabel sehr sensibel an, rauscht aber keinesfalls durch den kompletten Federweg. Die Progression und Dämpfungscharakteristik der Forke ist ziemlich genial. Wenn beim Schlusssprint unter den Top20 die RS-1 blockiert werden soll: Der Lockout funktionierte in der Testphase ohne jede Einschränkung, allen Witterungseinflüssen wie bei Rennen auf matschiger Piste zum Trotz.

52 RS-1

… noch in der Verfolgerposition.

Auch über das simple Setup-Prozedere berichteten wir bereits. Nach der nun doch recht ausgiebigen Testphase bleibt nur zu notieren, dass in das Solo Air-System weder Luft nachgepumpt, noch das Setup korrigiert werden musste. Die auf der Gabel angebrachte Tabelle mit den Richtwerten für Luftdrücke abhängig vom Fahrergewicht erwies sich in diesem Test als absolut praxisnah. Natürlich können die Werte je nach persönlichen Wünschen nach oben oder unten korrigiert werden.

58 RS-1

Die RS-1 funktioniert nur mit einer speziellen Predictive Steering Nabe, wie hier die eigene von SRAM.

Die Upside-Down-Konstruktion der RS-1 mit ihren individuell beweglichen Ausfallenden erfordert eine zusätzliche Versteifung in Form einer Predictive Steering-Nabe. Daher stellte uns SRAM für den Test auch gleich einen ROAM 50 Laufradsatz zur Verfügung. Der kommt am Vorderrad mit der erwähnten speziellen Nabe für die RS-1 und am Hinterrad passend zu unserem Testbike mit einer 12x142er Steckachse. Hier geht’s zur Vorstellung der ROAM 50 und 60 Laufräder und hier unsere Zusatzinfos zu den günstigeren Modellen ROAM 30 und 40 im Zuge der Garda Festivals’14.

61 Roam 50

Neben den größeren und verzahnten Auflageflächen, besitzt die Predicktive-Steering Nabe eine besordere einteilige Versteifung („Torque Tube“) im Inneren, die ihr die extern hohe Torsiosnsteifigkeit verleiht.

59 Roam 50

Die SRAM ROAM 50 Laufräder sind war auf der schmalen Seite, was die Felgenbreite angeht, aber funktionell und gewichtstechnisch ganz auf der Höhe der Zeit.

Der Freilaufkörper ist in 9/10fach und in der getseteten 11-fach XD-Variante erhältlich. Die asymmetrischen Aluminiumfelgen der UST Laufräder messen 21 Millimeter innen, beziehungsweise 26 mm außen. Auch wenn wir uns gerne ein paar Millimeter mehr gewünscht hätten, lief der LRS mit den verbauten CONTI Speedking in 2,2 auch bei niedrigen Drücken und tubeless absolut problemlos.
Der für den XC/Traileinsatz konzipierte Laufradsatz wiegt in 29″ respektable 1610 Gramm. Ein Gewicht, das durchaus auch für den XC-Einsatz noch okay ist. Die Roam 50 sind außerdem in 26″ und 27,5″ erhältlich. Für eine bemerkenswert hohe Stabilität und Steifigkeit sorgen die 24 geraden Speichen mit 2-fach Kreuzung.
Dieser Systemlaufradatz aus dem Hause SRAM musste nun überall dort rauf, drüber und hinunter, wo wir auch die RS-1 hinauf, hinunter und entlang jagten und taten dies maximal unauffällig und funktionell auf sehr hohem Niveau. Neben der problemlosen tubeless Montage, die besonders wegen der echten UST-Felgen (also ohne Dichttape, das evtl. beschädigt werden könnte) besonders einfach geht, überzeugten uns diese ROAM 50 Laufräder in der gesamten viermonatigen Testphase durch ihre hohe Robustheit.

********************************************************

50 RS-1

Die ROCK SHOX ist und bleibt eine besondere Gabel – funktionell wie auch optisch.

Fazit: Mit ihrer überzeugenden Performance krönte sich die RS-1 von ROCK SHOX als neue XC-Gabelreferenz. Der dauerhaft absolut störungsfreie Testbetrieb über mehrere Monate und die sagenhaft gute Dämpfung haben uns außerdem davon überzeugt, dass sie neben dem reinen Renneinsatz auch beste Vorraussetzungen mitbringt, auch als Trailgabel sehr hoch zu punkten. Das Design besticht durch seine futuristische und dennoch puristische Ästhetik. Der Preis beim Einzelkauf ist aktuell noch sehr hoch, weil man auch ein neues Vorderrad mit Predictive Steering braucht. Wer sich aber ohnehin nach einem neuen Komplettbike umsieht, macht garantiert funktionell nichts falsch, wenn er dabei auf ein mit der RS-1 ausgestattetes Bike setzt.
Der SRAM ROAM 50 Laufradsatz, der wegen der speziellen Predictive Steering Nabentechnologie erforderlich war, hat sich ebenfalls sehr gut und unauffällig geschlagen. Mit der für unseren Geschmack etwas geringen Maulweite ist er zwar nicht unbedingt für die ganz breiten Trailreifen geeignet, gab sich ansonsten aber sehr robust, steif und ausreichend schnell für Race und Training.

Thomas Hebestreit