Garda BIKE Festival´14 – Fahreindrücke NINER WFO9: von Oli

NINER war – neben z.B. LENZ – eine der ersten Firmen, die sich getraut haben wirklich langhubige 29er Fullies zu entwickeln. Nachdem das RIP9 nun mehrere Facelifts hinter sich hat und in der dritten Generation jetzt neben der Alu- auch als Carbonversion (NINER RIP9 RDO – hier Grannygears Fahreindrücke von der letztjährigen Interbike) vorliegt, hat NINER auch das WFO9 nicht nur überarbeitet, sondern komplett neu konstruiert.
Wir haben bereits hier im Rahmen der Eurobike´13 ausführlich über das NINER WFO9 berichtet.

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Während das frühere WFO9 und das  RIP9 sich noch sehr ähnlich sahen, ist das neue 2014er WFO9 jetzt ein komplett eigenständiges Design mit ausgesprochen schönen und gefälligen Formen. Auf dem Bike-Festival in Riva hatten wir die Möglichkeit, das WFO9 („Wide Full Open“) nicht nur live zu begutachten sondern es auch gleich mal für ein paar Stunden auf die Trails zu entführen.
Das NINER WFO9 ist für Federgabeln von 150 bis 170mm (ja, richtig gelesen!) ausgelegt. Am Hinterbau arbeitet ein Rock Shox Plus Monarch RC3 Dämpfer, der dort für einen Federweg von  150 mm sorgt. Details zur Ausstattung und findet ihr auf der NINER Webseite.

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Schaut man sich die Anlenkung der Hinterbauschwinge genauer an, so erkennt man auch hier die bekannte und von NINER patentierte CVA-Kinematik (Constantly Varying Arch). Erkennungsmerkmal der CVA, das sich durch alle Fullies bei Niner hindurchzieht, ist, dass der untere Schwingenpunkt am Rahmen vor dem Tretlager ansetzt und über eine geschwungene Umlenkung den einteiligen Hinterbau abstützt.
Steifigkeitsfördernde Merkmale des Aluminiumrahmens sind das intensive Hydroforming an Ober-, Unter- und Sitzrohr, die 142×12 mm Maxle Steckachse hinten und das konische Steuerrohr. Um auch bei hoch aufbauenden Gabeln (das Bike ist ja schließlich bis 170 mm freigegeben :-)) die Front nicht allzu hoch bauen zu lassen kommt ein „Zero Stack“ Steuersatz ans WFO9.
Entgegen dem aktuellen Trend spezifiziert NINER beim WFO9 eine BSA Innenlager mit 73 mm Breite. Passend zum Rodwy-Einsatzbereich des Bikes ermöglichen die ISCG05 Mounts die Montage einer Kettenführung – auch wenn die an unserem Testbike wegen des mittlerweile sehr guten Kettenmanagements der  aktuellen  1-fach Kettenblätter wirklich nur im extremen Gelände wirklich notwendig werden dürfte.

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Und damit kommen wir schon zu den Kunstgriffen, die NINER vorgenommen hat, um hinten überhaupt 150mm zu ermöglichen ….  und trotzdem mit 443 mm eine relativ kurze Kettenstrebenlänge zu erreichen: Das Sitzrohr ist dafür deutlich geschwungen und die Kettenstreben sind im Bereich des Tretlagers sehr stark abgeflacht. Zugunsten der Reifenfreiheit und des kompakten Hinterbaus  ist das WFO9 explizit nur für Einfachkurbeln geeignet (mit max 38 Zähnen). Eine Umwerfermontage ist nicht vorgesehen. Etwas überraschend fanden wir, dass nur max. 2.35“ breite Reifen erlaubt sind – und das noch nicht mal aller Hersteller.

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Das von mir gefahrene Testmodell war mit einer Rock Shox Pike RTC3 mit 160 mm Federweg und der SRAM X01 1×11 Schaltgruppe ausgestattet, was weitgehend der 4-Star-Option des NINER Komplettrades entspricht. Abweichend vom „Stangenbike“ war es meines aber mit einer normalen Rock Shox Reverb Stütze bestückt und nicht mit der intern angesteuerten Stealth-Version, für der Rahmen ebenfalls vorbereitet ist.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zu den Optionen. Den Rahmen des WFO9 gibt es in zwei Farbvarianten: Die Grundfarbe ist stets mattschwarz eloxiert, die Schriftzüge und Logos kommen entweder im von mir gefahrenen Atomic Blue (wie auch schon bei anderen NINER Modellen: Atomic Blue leuchtet auch im Dunkeln :-))

… oder in klassischem NINER Red wie hier abgebildet.

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Kombinierte PRAXISEINDRÜCKE von Oli (& c_g):

Auf meinen beiden Runden mit dem WFO war ich einmal für knapp zweieinhalb Stunden am Monte Brione und später nochmal ca. 2 h auf einem Trail am Altissimo unterwegs. C_g ist an folgenden Tag nochmal die identische Runde am Altissimo nachgefahren – die er vorher auf dem ROS9 gefahren war

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Die Sitzposition fällt, passend zum Einsatzbereich, tendenziell kompakt-aufrecht aus, was mir besonders deswegen aufgefallen ist, weil ich unmittelbar vorher ein NINER RIP9 RDO gefahren bin – ebenfalls in L. Laut Geometrietabelle ist das RIP9 auch gute 2,2 cm länger als das WFO9. Anders als beim RIP9 dessen Gewichtsverteilung ich eher hecklastig  fand, kam ich mir auf dem WFO9 ausgesprochen zentral positioniert vor.

Bergauf fährt sich das NINER WFO9 für ein Bike mit so viel Federweg überraschend effizient und flink. Auch wenn es sicher kein superleichtes Bike war, so wunderte mich doch öfter über die fehlende Trägheit – die ich bei einem Bike dieser Klasse schlichtweg erwartet hatte. Die laut Webseite angegebenen sehr schlanken 13,3 kg für das Komplettrad (plus Pedale) tragen sicher auch ihren Teil zu den guten Alllroundeigenschaften bei. Ein Teil davon hängt sicher mit den „schmalen“ 2.25er Nobby Nic Reifen und den leichten American Classic Wide Lightening Laufrädern meines Testbikes zusammen, ein großer Teil davon geht aber sicher auch auf das Konto der erstklassigen Geometrie. An einem Bike der langhubigen Allmountain-Fully Kategorie hätte ich eher etwas vom Schlage eines Hans Dampf oder eines Maxxis High Roller II / Minion DHF erwartet, aber (anders als c_g ;-)) hatte ich keine Reifendefekte zu beklagen.
Mit dem Dämpfer auf Plattformdämpfung ist das Heck selbst bei maximalem Output ruhig und mit dem Lockout kann man getrost auch im Wiegetritt fahren.
Oben am Trailhead angekommen war ich dann wirklich positiv überrascht wie gut und effizient das NINER WFO9 doch klettert. Das hätte ich bei einem do so gravitylastigen Bike nicht erwartet.

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Für die Abfahrt habe ich die Gabel und den Hinterbaudämpfer geöffnet, die Stütze per Knopfdruck abgesenkt und es auf dem Trail richtig laufen lassen. Ich muss gestehen, dass ich mich in den vergangenen Monaten zu einem Freund von 29er AM Hardtails entwickelt habe, aber beim NINER WFO9 bin ich versucht meine Meinung zu ändern, denn das NINER WFO9 macht im Trail einfach Spaß.
Ich bin keiner, der es richtig schwer mag (S3 oder S4 aufwärts), bin eher der Genießertyp, manchmal auch XC-Racer. Aber mit dem WFO bin ich wieder Stellen gefahren, an die ich mich mit den meisten anderen Bikes nicht rangetraut hätte. Das extrem tief liegende Oberrohr nimmt einem schon psychologisch die Angst, bei einem Abstieg böse aufzusitzen. In Verbindung mit der auf Knopfdruck absenkbaren Sattelstütze bekommt man somit schnell ein wendiges Bike mit maximaler Bewegungsfreiheit auf technischen Trails. Der Lenkwinkel mit freeridetypischen 66 bzw. 67 Grad (je nach verbauter Einbauhöhe der Gabel)  ist für ein 29er sehr flach und ergibt beim WFO9 ein ausgesprochen sicheres und gelassenes Fahrverhalten, das bei Speed ungemein laufruhig wirkt , in langsamen und technischen Passagen aber wendig und voll verspielt ist. Keine Frage die Jungs von NINER wissen wie man eine tolle 29er Geometrie macht.

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Die Hinterbaufederung arbeitet ausgesprochen neutral und mit viel Fededback vom Untergrund. Wahrscheinlich hätte man durch eine noch weicheres Set-Up noch mehr Sensibilität rausholen können, aber von der Grundcharaktersitik und dem Dämpfersetup empfanden c_g und ich das WFO9 eher als direktes Bike. Einfach drauf und drüber – was allein vom Federweg selbstverständlich auch geht – fühlt sich beim NINER WFO irgendwie unpassend an. Sowohl ich, wie auch c_g mögen das direkte Feedback vom Hinterreifen, weil es einem immer genau kommuniziert, was unter einem vorgeht und wie es um die Traktion bestellt ist. Fahrer die ein super senisibel-plüschiges Fahrwerk erwarten, sollten auf einen anderen Dämpfer vom Schlage eines CANE CREEK DB umrüsten. Die 160 mm Pike RTC3 und der 150 mm Hinterbau mit dem Monarch Plus RC3 harmonierten dennoch sehr gut und vermitteln zusammen mit der grandiosen Geometrie eine unglaubliche subjektive Sicherheit. Ich musste mehrfach anhalten um meinen aufkommenden Adrenalinrausch wieder einzudämmen.

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Selbst als guter Fahrer hat man in dem NINER WFO9 ein Bike gefunden, das sehr viel kann – mehr als die meisten Fahrer. Chris Sugai kommentierte c_g gegenüber gegenüber einmal die Frage wie er denn das neue WFO9 fände mit den Satz: „ Ich fahre es nur wenn ich muss, denn auf dem Bike bin ich so schnell unterwegs, dass ich mich damit irgendwann zwangsläufig verletzen würde.“ Ein Satz, dem ich nur beipflichten kann.
Eher aus Versehen sind wir am Ende der Testrunde dann auf einer Treppe gelandet – die kein Ende nehmen wollte. Sonst kein Fan solcher Geländeformen, habe ich mich mit dem NINER WFO9 doch wie ein Fahrer eines City-Downhill Worldcups gefühlt. Unten angekommen hatte ich dann nur ein fettes Grinsen im Gesicht :-).

Werde ich doch wieder zum Freund eines langhubigen 29ers? Hmmmm … ;-).

Wir hoffen für uns und für Euch, dass wir demnächst ein NINER WFO 9 für einen ausführlichen Test bekommen. Dann noch mehr Details und Fahreindrücke.

Oli