NINER BIKES RIP 9 Airformed – Zwischenstand: von Grannygear

 Vor zwei Wochen haben wir euch erst das neue NINER RIP9 Airformed vorgestellt (hier) – und da ich mehr als nur gespannt war, wie sich das Bike mit der SRAM X01 Gruppe und der FOX 110-140mm Talas Gabel fahren würde, wurde es augenblicklich in Dienst gestellt.

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Die Fahrten bisher waren in typischem Süd-Kalifornien Terrain – lange Forststrassenanstiege, breitere Double- und gewundene Singlerails aber kaum wirklich aggressives oder technisches Gelände. Nichts, was das RIP9 wirklich an seine Grenzen bringen würde, aber genug um mir ein gutes Bild von dem Bike zu verschaffen.
Meine Anfangserwartung and das RIP9 war, dass es sich als erstklassiger Allrounder zeigen würde. Gegenüber dem NINER CVA Federungskonzept, das ich sehr gut vom NINER Jet9 kenne, hatte ich hohe Erwartungen. Unter den Testbikes mit VPP Technologie (zu denen auch CVA gehört) ist und bleibt CVA einer meiner Favoriten. Mal sehen, wie es sich in einer 125 mm Variante bewähren würde. Wie sich jedoch schnell herausstellte, war mein RIP-9 Testbike doch eher All-Mountain-lastig ausgelegt – die langhubige F34 Talas Gabel und die robusten Laufräder sind ein Teil davon, der andere die X01 Gruppe – die für mich ihr Potential vor allem dort ausspielen kann, wo es heftiger zugeht und abgesprungene Ketten drohen.

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Die CVA Federung am RIP9:

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Anfangs habe ich mich gefragt, ob die an sich schon sehr antriebsneutrale CVA Federung wirklich eine Plattformdämpfung zur Beruhigung bräuchte. Es zeigte isch jedoch schnell, dass die 125 mm am Heck bereits durch die Auf- und Ab-Bewegung des Fahrers unter Last leicht in Schwingung geraten. Der Effekt ist mit reduzierten Fahrerbewegungen zwar komplett auszuschalten, aber bei meiner Fahrweise habe ich dann doch oft auf die Plattformdämpfung zurückgegriffen. Mit dem Dämpfer in dieser Position wird das Heck etwas unsensibler, aber eben auch ausgesprochen gelassen gegenüber Schwingungen – leichte einbuße in der Komfortwertung, aber weiterhin maximale Traktion. Für den Downhill bin ich den Dämpfer dann immer offen gefahren. Mein Sweet-Spot lag bei etwa 25 % Sag und da hat die CVA Federung für mich in jeder Situation superb funktioniert – sehr schluckfreudig, traktionsstark und sensibel wenn offen oder ruhig und traktionsstark wenn im Plattformmodus.

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Der Rahmen des RIP9 Airformed:

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Die ersten RIP9 von NINER waren bekannt dafür, dass sie nicht wirklich sehr steif waren – die jüngste Generation (wie auch die RDO Carbonversion, hier auf der Interbike gefahren) lässt hierin keine Wünsche offen. Da zeigt sich welche Fortschritte man mittlerweile im Rahmenbau und der Ausnutzung der Fertigungsmöglichkeiten gemacht hat – deutlich leichter und steifer!! Sowohl im statischen Verwindungstest, wie auch im Fahrbetrieb gehört das RIP9 Airformed zu den präzisesten und steifsten 29er Fullies, die ich kenne.
Die Reifenfreiheit mit dem 2.35er Nobby Nic auf breiten NOTUBES Flow EX Felgen ist bei weitem noch nicht ausgereizt – da geht noch mehr.
Der Rahmen in Gr. L hat mir gut gepasst obwohl ich mit meinen Proportionen wohl eher zu einem Rahmen in XL tendiere.  Auf dem L musste ich einen 100 mm Vorbau fahren um nicht zu kompakt zu werden. Beim XL wäre es ein 70 mm Vorbau gewesen um die gleiche Sitzposition zu erreichen. Am Ende hat es beim Fahren aber nie gestört und ich bin sehr gut mit dem Bike zurecht gekommen, trotz des Kompromisses des etwas zu langen Vorbaus.

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 Die Geometrie des RIP9:

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(… zum Vergrößern anklicken.)

27 NINER RIP9 drawingMit seinem 69.5° Steuerwinkel bei unbelasteter 140 mm Gabel hört sich das für ein All-Mountain eher steil an, aber man muss bedenken, dass 29er eben auch mit steileren Lenkwinkeln noch sehr sicher fahren, wo 26“ Bikes schon nervös werden. Selbst auf den zum Teil sehr schnellen Abfahrten habe ich mich damit nie unwohl gefühlt. Was ich jedoch nicht beurteilen kann, ist das Fahrverhalten in wirklich steilem, technischen Gelände. Dort mag ein noch flacherer Lenkwinkel womöglich zusätzliche Sicherheit generieren. Andererseits, wer so ein Gelände sein Zuhause nennt, dürfte mit dem WFO ohnehin besser bedient sein.
Die nach heutigem Standard langen Kettenstreben von 455 mm sorgen für massive Laufruhe in dem groben oder losen Terrain meiner Heimatregion. Das Stückchen an Verspieltheit, die man damit einbüßt, habe ich nur in wirklich engen schnellen Kurven ein wenig vermisst, aus denen man die besonders kompakten 29er noch aggressiver heraus beschleunigen kann. Wheelies zu fahren war mit dem RIP9 extrem leicht, was in meinen Augen mit der subjektiv etwas hecklastigen Sitzposition zusammenhängt, die ich auf dem L Rahmen eingenommen. Letztlich hat sich das lange Heck aber weit weniger stark ausgewirkt, weil es meinem Empfinden nach sehr gut mit dem übrigen Charakter des Bikes harmoniert hat.

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Die FOX F34 Talas Gabel:

22 NINER RIP9Die zweistufige Absenkung der FOX Gabel war eine interessante Erfahrung. Während man den Vorgängern des Systems ja nachsagt, dass die Federungsperformance gegenüber den Float Modellen gelitten habe, konnte ich bei der neuen ´14er Talas nichts dergleichen feststellen. Sie war wunderbar sensibel und nutze den ganzen Federweg mustergültig aus. Aus meiner Warte die bisher beste FOX Federgabel, die ich kenne. Ich bin die Gabel meistens offen gefahren und nur für Anstiege im Trail-Modus.
Anfangs habe ich die Front noch gelegentlich auf 110 mm abgesenkt, fand es aber immer gewöhnungsbedürftig, wie sich das Bike dann angefühlt hat. In den Anstiegen wirkte es auf mich damit weniger ergonomisch und effizient an und bergab oder im Trail war das Handling in der abgesenkten Form derart nervös und anstrengend, dass ich recht bald nur noch mit ausgefahrener  Gabel gefahren bin. Es ist wahrscheinlich so eine Sache von persönlichem Fahrstil und Terrain ob man eine Absenkung mag. Ich weiß dass c_g dieses Feature liebt und auf seinen Trails sehr viel nutzt, während ich es nur ganz seten wirklich nutzen würde. Wenn es nach mir ginge, würde ich das RIP für meine Trails mit einer 130 mm Gabel ausstatten und damit sehr glücklich werden.

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Die SRAM X01 Gruppe:

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Eine 1×11 Antriebsgruppe ist derzeit ja der letzte Schrei und ich kann verstehen woher die Begeisterung kommt – ohne zweiten Schalthebel und Umwerfer ist das Bike einfach wunderbar „clean“. Nach der Zeit auf dem RIP9 kann ich aber sagen, dass mir eine 2×10 mit seiner noch größeren Übersetzungsbandbreite dann doch lieber ist. Es gibt sicher Fahrer, die mit einem Kettenblatt und der Spanne der 11-fach Kassette vollauf glücklich werden, aber aus meiner Sicht liegt der Hauptvorteil der Gruppe in der Fähigkeit die Kette auch im groben Gelände nicht mehr abzuwerfen.
Für mich und meine Trails war das 32er KB mit der 10-42 Kassette nicht niedrig genug um damit überall hoch zu kommen. Immer wieder kam es vor, dass ich bereits am Limit an einer kurzen besonders steilen Rampe gescheitert bin. Mit einem 30er Kettenblatt wäre es wohl gegangen, aber dann wären mir die Gänge in den schnellen DH-Stücken ausgegangen. Man kann eben nicht alles haben ;-).
Doch das sind subjektive Beobachtungen – was die Schaltperformance der X01 Gruppe (auch unter Last) angeht, war sie grandios gut. 100% präzise, und sehr direkt im Schaltgefühl. Selbst mir ist es positiv aufgefallen, wie intuitiv Schalten geht, wenn man rechts alle Schaltvorgänge und links die anderen Elemente wie Dropper Post bedienen kann. Die Kehrseite ist jedoch, dass man  bei einer Abfahrt, die unmittelbar auf einen strengen Uphill folgt , fast schon stakkatoartig den Schalthebel drückt um in den passenden schnellen Gang zu kommen. Das kann ein ebenfalls erhältlicher Grip Shifter oder die Konkurrent von Shimano besser.
–> Ich habe jedenfalls festgestellt, dass die 1×11 Schaltungen nichts für mich sind – schon allein wegen des aktuell noch sehr hohen Preises. Wer sich dazu aber ein noch besseres Bild verschaffen will, kann den Dauertest von c_g verfolgen, der die identische Gruppe in 2014 fahren wird (hier).

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Die übrigen Teile des RIP9:
Auch hier war das Bike sehr gut, aber nicht nur eitler Sonnenschein. Die AVID Elixir 9 Bremsen waren einerseits wunderbar kräftig und ein Muster an Dosierbarkeit und Standfestgkeit, hatten aber ein merkwürdig pulsierendes Bremsgefühl, das ich nach einigem Suchen einer unsauber gefertigten Bremsscheibe zuschreiben konnte – ansonsten dem Eindruck nach eine sehr gute Bremse. Ein Fertigungsfehler, der nicht vorkommen sollte, aber schnell behoben ist.
Ein anderes Bauteil, das unter meinen Bedingungen nicht so ideal war, waren die SCHWALBE Nobby Nic Reifen. Auf den hiesigen trockenen Trails haben sie nie wirklich viel Sicherheit vermittelt. Das hat sich allerdings schlagartig geändert, als es regnete und die Trails etwas feuchter waren – da hat mich der Nobby Nic voll überzeugt. Für gemischte Verhältnisse scheint er sehr gut, ausgesprochen leicht für seine Größe und rollt auch noch überraschend gut – auf meinen Trails hier in Südkalifornien war er dagegen nur Mittelmaß.
Der sehr breite (780 mm!) NINER Lenker passte gut zum RIP, brachte außerordentlich viel Kontrolle, wäre aber nicht meine Wahl wenn ich in stark bewaldeten Regionen fahren würde.

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Zwischenfazit:

Ein leistungsorientierter Fahrer, der sich nach Strava-Bestzeiten ausstreckt würde mit dem RIP9 gut zurecht kommen, aber mit dem Jet9 eine bessere Wahl treffen. Ich bin das RIP9 ein paar Mal mit solchen Jungs gefahren und musste mich wirklich ranhalten um bergauf und in der Ebene dran zu bleiben – bei knapp über 13 kg und der Trailorientierung auch kein Wunder. Wenn man es allerdings nur einen Tick genussvoller angeht, nicht immer am oberen Pulslimit fährt und gerne lange abenteuergefüllte Tage auf dem Bike verbringt, dann könnte das NINER RIp9 genau das Bike für dich sein. Bisher bin ich das RIP9 überwiegend als Testobjekt gefahren, habe mich auf jede Eigenschaft konzentriert und das Bike gedanklich untersucht, aber nach dem ersten intensiven Kennelernen, kommt jetzt die Testphase für die das RIP9 eigentlich gemacht ist – Fahren und dabei Spaß haben!

Demnächst mehr dazu wie sich das NINER RIP9 als echte Trailbike bewährt – Spaßgarant oder ruhiger Tourer? Wir werden sehen.

Grannygear.