MI:TECH Epsilon – Zwischenstand I (PINION P1.18): von c_g

So, mittlerweile habe ich so manche Trailerfahrungen auf dem Epsilon gemacht und bin es auf zahllosen heimischen Trails gefahren – Zeit also für einen vertieften Zwischenbericht. Wer das Intro zu den ganzen Technologien (Antriebsschwingen Fully, PINION P1.18 Getriebe und Gates Riemenantrieb) mit den Spezifikationen und Gewichten noch mal nachlesen möchte, kann das hier tun. Die allerersten Praxiseindrücke findet ihr hier.

Wir haben zwar im Intro das MI:TECH Epsilon nach seinen einzelnen Technologien getrennt vorgestellt, wollen aber explizit nochmal klarstellen, dass es sich bei dem Bike um ein Gesamtkonzept handelt. „Das Epsilon wurde speziell um den GATES Antriebsstrang und ein Getriebe (PINION oder Rohloff) herum entwickelt. Nur in einer solchen Konstellationbringt bringt es  sein Potential voll zur Geltung.“  so Jürgen Militzer von MI:TECH.

Der Fülle der Informationen wegen haben wir diesen Zwischenbericht zweigeteilt – hier im Teil I behandeln wir vertieft die Praxiseindrücke der PINION P1.18 Getriebenabe und im Teil II das Fahr- und Federungsverhalten des MI:TECH Epsilon selbst:

  

Hier ein paar unserer Praxisbeobachtungen zur PINION P1.18:

Zuerst das Wichtigste:

1, Die gleichmäßigen 11,5 % Gangsprünge sind genial – bei 18 derart fein abgestuften Gängen ganz ohne Überschneidung wird man schlichtweg verwöhnt. Als Fahrer, der in den letzen Monaten überwiegend mit 1×10 unterwegs gewesen war, fühlten sich die Sprünge fast zu fein gestuft an und ich hatte mitunter beim Schalten in einen schnelleren Gang das Gefühl gar nicht geschaltet zu haben.
–>  Wer hohe Ansprüche an die bestmögliche Abstufung setzt, findet diese in der P1.18. Garantiert!

2, Die unglaubliche Übersetzungsbandbreite der Schaltung von über 636 % bietet alles und mehr, was man sich als Mountainbiker wünschen kann. In einer Zeit der 2-fach und sogar 1-fach Kettenschaltungen ist es fast schon Luxus immer den richtigen Gang zur Verfügung zu haben und selbst er direkte Vergleich zur 3×10 SHIMANO XT am BULLS Wild Rush zeigte, dass die PINION hier immer noch die Nase vorne hat.
–> Selbst an steilen Anstiegen gehen einem nie die Berggänge aus und in der Ebene bleibt noch Raum zum Rasen. Anfangs besteht die Gefahr, dass der sportliche Fahrer sich fast schon unterfordert fühlt, doch einmal daran gewöhnt ist es einfach nur toll.
(Vorraussetzung hierfür ist allerdings das man das Verhältnis zwischen Kettenbaltt und Ritzel sinnvoll auswählt – Pinion schlägt einen leichte Übersetzung (1:0,89) für 26“ Bikes vor, was beim 29er in etwa einem 1:1 Verhältnis gleichkäme, wobei man offen ist für jede anderen Verhältnisse, sollte der Fahrer die Notwendigkeit hierfür empfinden.)

3, Das gekapselte Getriebe funktioniert (mit den unten folgenden Eigenheiten) absolut unbeeinflusst von äußeren Bedingungen. An manchen Ausfahrten mit Freunden blieb das Epsilon (mit PINION) erwartungsgemäß völlig unbeeindruckt von anfrierendem Spritzwasser und Schneematsch, der den „normal geschalteten“ Bikes in der Gruppe schnell nur noch einen nutzbaren Gang  übriggelassen hat. Was die Zuverlässigkeit unter wirklich widrigen Bedingungen angeht, werden Kettenschaltungen guten Getrieben wohl nie die Stirn zeigen können – das haben diese Fahrten eindrucksvoll untermauert.
Obgleich der Testzeitraum wahrlich keinen Aussagen über die Langzeithaltbarkeit zulässt und die P1.18 in den kommenden Jahren diese noch unter Beweis stellen muss, unterstellen wir dem Getriebe erstmal eine solche – die bisherigen berichte anderer Fahrer sprechen hier eine klare Sprache. Man darf optimale Wartungsarmut und Langlebigkeit erwarten.

4. Der Drehgriff ist ergonomisch und griffig – als unmittelbarer Kontakt zum Fahrer haben wir keinerlei Beanstandungen.

************************

… und nun das „Kleingedruckte“ – die Eigenheiten, die man erst merkt wenn man sie selber länger gefahren hat:

Bei der PINION P1.18 handelt es sich um eine Getriebeeinheit die zwischen eingehender Kraft (= Kurbel) und ausgehender Kraft (= vordere Zahnscheibe oder Kettenblatt) geschaltet ist. Beide sind dementsprechend entkoppelt.

– Der Leerhub des PINION Getriebes P1.18 ist ungewohnt groß – konstruktionsbedingt kann es sein, dass die Kurbel, je nach Ausgangsstellung einen recht großen Leerweg zurücklegt sie einrastet. Bei schnellen Antritten aus dem Leerlauf und im technischen Gelände ist es für mich immer wieder spürbar gewesen.
Um diesen Effekt zu minimieren, der eine Summe aus Getriebe- und Nabenleerhub ist, zu minimieren bietet PINION eine spezielle Singelspeed-Nabe in Zusammenarbeit mit ACROS an, die sehr fein gerastet ist.

– Durch die Koppelung der beiden Getriebe ergibt sich ein inhomogenes Schaltverhalten unter Teillast. Zwischen den Gangstufen 6/7 und 12/13 muss das System komplett entlastet werden um weiterzuschalten – und das in beide Schaltrichtungen. Der Grund hierin liegt in dem zweistufigen Getriebe (ein 3-fach und ein 6-fach Getriebe in Reihe geschaltet).  Während das Schalten aller Zwischengänge auch unter Teillast möglich ist, werden die beiden Getriebestufen bei den oben genannten Sprüngen neu zueinender ausgerichtet und das System ist nur komplett entlastet schaltbar. Wer hier also die homogene Schaltperformance einer Kettenschaltung über die gesamte Bandbreite erwartet, muss sich umgewöhnen – inbesondere in Anstiegen kam es anfangs bei mir immer wieder zu Situationen in denen ich in genau diesen Stufen „hängengeblieben“ bin, einmal daran gewöhnt kam es nur noch selten vor.
(Das gleich gilt übrigens für alle derartigen Getriebe – auch bei der Rohloff gibt es einen solchen kritischen Gangsprung).

– … dafür kann man alle Gänge auch im Stehen durchschalten! Allerdings nur, wenn man ohne Pedaldruck schaltet.

– Sind die Schaltkräfte im entlasteten Zustand noch in beide Richtungen gleich, braucht man zum Schalten in einen leichteren Gang unter Teillast bereits recht große Handkräfte. In die entgegengesetzte Richtung (schnellerer Gang) geht es auch unter Teillast seidig weich zu schalten.

– Das Gewicht des Piniongetriebes von stattlichen 2,7 kg (zzgl. der Kurbel) ist nur teilweise spürbar. Klar, das Mehrgewicht ist bei Anstiegen als Teil eines nicht gerade leichtgewichtigen Gesamtsystems nicht wegzudiskutieren, doch im Trail merkt man es aufgrund des tiefen Schwerpunktes selbst bei technischen und verwinkelten Trails kaum.
Wenn ich versuche das Vorderrad anzuheben (etwa bei Wheelies), war dies beim MI:TECH Epsilon mit ordentlichem Kraftafwand verbunden. Allerdings möchte ich micht nicht darauf festlegen zu welchem Anteil das Gewicht des Getriebes oder die ohnehin langgestreckte Rahmengeometrie des Epsilons hierfür verantwortlich sind.
Ich selber bin der falsche um hierzu viel zu sagen, aber auch beim Springen sollte sich die zentrale Postion recht wenig auf das Handling auswirken.

– Bei geringem Pedaldruck arbeitet das Getriebe fast vollkommen geräuschlos, aber unter hohem Druck hört und spürt man sehr wohl ein Mahlen. Wir wollen das nicht mit irgendwelchen Reibungsverlusten oder ähnlich Kraftraubenden Dingen gleichsetzen, die böse Zungen Getrieben gerne nachsagen, aber subjektive fühlt es sich für mitunter  etwas störend an.

–> TEILFAZIT: Der bisherige Eindruck des Getriebes ist nach den oben aufgeführten Beobachtungen zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich positiv. Nach bisherigem Stand schlägt die PINION P1.18 in die gleiche Kerbe wie die ROHLOFF Speedhub – Zuverlässigkeit und Funktion, die vor allem den Tourenfahrer ansprechen werden. Die feine Gangabstufung, die Zuverlässigkeit, die grandiose Übersetzungsbandbreite und die Einfachheit der Schaltung setzen Maßstäbe, an die keine bisherige Serienschaltung rankommt.
Für mich als sportlich ausgerichteten Trailpiloten mit einer Affinität zu technischem Fahren war das hohe Gewicht bergauf zwar spürbar, aber am Ende weniger kritisch als die oben genannten „Eigenheiten“ in der Schaltperformance (vor allem unter Last), die mir auch nach der Eingewöhnungsphase immer wieder spaßmindern aufgefallen sind. Für eine Abenteuerreise auf dem Bike, wo Zuverlässigkeit und Wartungsarmut aber höher wiegen, würde ich ein Bike mit PINION P1.18 aber sehr wohl in Betracht ziehen.

Soweit zu den Praxisbeobachtungen mit dem PINION P1.18 Getriebe im Traileinsatz. In ein paar Tagen zu den vertieften Fahreindrücken des MI:TECH Epsilon, das als Antriebsschwingenfully ein echter Exot im aktuellen Markt gelten darf.

RIDE ON,
c_g