650b / 29er / Mixed Formatvergleich – Teil 2: Am 29er Hardtail: von c_g

Nachdem meine anfängliche Skepsis gegenüber dem neuen Mittelmaß in Sachen MTB-Laufrädern durch die Erfahrungen am Starrbike widerlegt worden war (siehe den Bericht hier), war es Zeit den Vergleich etwas weiter voranzutreiben. Dazu habe ich das kürzlich hier getestete 29er Hardtail BERGAMONT Revox Team (Bericht dazu hier) rangenommen.

Zur Wiederholung: Wir nutzen drei identische Laufradsätze in jedem der 3 Formate (26“, 650b und 29er) die uns TUNE zur Verfügung gestellt hat, sowie drei identische Reifen von WTB und Kassetten/Bremsscheiben von SRAM – womit die Variablen auf ein Minimum reduziert sind. IN diesem Vergleich wurde ein echter, wenn auch sehr kompakter 29er Rahmen genutzt, so dass die Geometrie mit kleinern Laufrädern nicht 100% ideal war – in Ermangelung einer Alternative, haben wir es aber trotzdem so gemacht.

Das Herangehen, war es das BERGAMONT Revox Team (mit der ebenfalls im Test befindlichen DT-SWISS XMM Federgabel) in unterschiedlicher Konfiguration auf den identischen Trails zu bewegen: Zuerst wie gewohnt auf großem Fuß (sprich 29er), dann (wenn möglich) unmittelbar danach die identische Runde mit reinen 650b Laufrädern und (wieder, wenn möglich) gleich noch im Mixed-Betrieb (29er VR und 650b HR). In einem Zeitraum von 3 Wochen ist das Bike so auf allen meinen normalen Testtrails gefahren worden . (Am Anfang habe ich zwar auch mal probeweise die 26“ Räder montiert, aber der Versuch wurde wegen der ständigen Aufsetzer – zu tiefes Tretlager – frühzeitig abgebrochen.)

Das Ergebnis war wie folgt:

  • Der Abstand zwischen den 29“ und den 650b Laufrädern war spürbar, aber durch die Federgabel noch mal etwas geringer, als am vorher gefahrenen Starrbike. Die Unterschiede waren aber vor allem im Grenzbereich und bei sitzendem Fahren über Hindernissse deutlich spürbar.
  • Die 29er hatten subjektiv überall dort die Nase vorn wo Überrollverhalten und Traktion zählen.
  • Das 650b konnte vor allem bei der schnellen Beschleunigung punkten.
  • Subjektiv war die Laufradsteifigkeit (und damit Lenkpräzision) mit dem 650B minimal höher – dem gegenüber stand eine geringere Bremstraktion und ein geringerer Kurvenhalt.
  • Die auf manchen kürzeren Runden praktizierte Zeitmessung (mit Pulskontrolle), hat keine echten Vorteile eines Formats aufgezeigt. Die Unterschiede waren zu gering für echte Aussagen.

Von den Vergleichserfahrungen losgelößt hat sich das Bike in beiden Konfigurationen auf den Trails gut angefühlt und keines würde ich als minderwertig oder besonders gewöhnungsbedürftig bezeichnen – durch das agile Handling des Revox, war das Bike auch mit den 29er Laufrädern alles andere als träge.

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Was mir jedoch stark aufgefallen ist, war wie sich Fahrweise und –stil auf das Bike auswirken:

                • Wenn man überwiegend im Sitzen fährt, die Kurven mittig auf dem Bike „zieht“ und eine nicht allzu dynamisch-aktive Fahrweise im Groben bevorzugt – dann ist der 29er klar im Vorteil. Da hatte das 650b das Nachsehen, denn die Vorteile der kleineren Laufräder kommen da kaum zur Geltung. Typische Einsatzbereiche die hier zu nennen sind, wären Ausdauerrennen, Marathons und klassische Touren.
  1. Wenn man allerdings sehr aktiv mit viel Bewegung in Hüfte und Oberkörper fährt, gerne aus dem Sattel geht, die Kurven gerne „drückt“ und die Anstiege oft auch im Stehen nimmt – dann macht das 650b auf manchen Kursen mindestens ebensoviel Spaß– auch wenn die etwas geringere Traktion das Potential vor allem im technischen Gelände wieder etwas geschmälert hat. Dieser Fahrstil ist aber (für die meisten) deutlich kraftraubender.
  • Während vor ein paar Jahren der Wunsch nach einem agileren 29er noch halbwegs gerechtfertigt war, ist das seit der jüngsten Generation von XC-29ern vom Schlage eines Bergamont Revox oder BMC TE01 kein Argument mehr. Daher verringern sich die echten, spürbaren Vorteile von 650b Hardtails weiter und die Sinnfrage nach 650b in diesem Segment bleibt bestehen – zwar nicht mehr so hart, aber wenn ich mir jetzt ein Hardtail kaufen müsste, würde ich nicht lange überlegen und sicher  ein 29er nehmen.

Bis auf die Beschleunigung hat das Mittelmaß hier nur sehr geringe Vorteile. Der einzige wirkliche Nutzen für mich liegt nur bei sehr kleinen Rahmengrößen, die evtl. mit einem echten 29er nicht stimmig zu realisieren wären.

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Die eingangs erwähnte Mixed-Variante hat mich dagegen überrascht:

Vor allem in gröberem Gelände hat es richtig viel Spaß gemacht, und in schnellen Kursen ließ sich das  Bike sehr schön in die Kurven drücken und die bessere Traktion an der Front zu kontrollierten Heckdrifts nutzen. Aus meiner Sicht lag der Unterschied weniger an dem leichteren und etwas steiferen HR, sondern mehr an der damit modifizierten Geometrie und Sitzposition. Das durch diese Variante nur minimal niedrigere Tretlager war für mich kaum spürbar und hat sich nicht negativ bemerkbar gemacht.

Diese Erfahrung hat mich ins Grübeln gebracht und zu folgendem Schluss gebracht: Wenn auch nicht unbedingt am Hardtail, so sollte diese Variante vor allem für Long Travel Fullies interessant sein da man damit die sicherheitsrelevanten Vorteile der 29er Laufräder (Überrollverhalten, minimiertes Überschlagsrisiko, Bremstraktion und Kurvenhalt) gut mit den konstruktiven Vorteilen eines 650b Hecks (kompaktere Geometrie und damit noch agiles Handling) kombinieren könnte.
Ich bin gespannt, ob sich ein Hersteller auf der Eurobike an diese optisch zugegebenermaßen gewagte Kombi rantrauen wird.

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ZWISCHENFAZIT:

            • Für Hardtails und Starrbikes ist meine vorläufige Meinung also, dass mit den aktuellen Geometrien die Vorteile von 29ern überwiegen und hier 650b aus meiner Sicht nur bei sehr kleinen Rahmengrößen eine reale Chance haben dürften.
            • Die allerersten Fahrten mit einem Mixed-Set-Up (vorne 29er und hinten 650b) haben aber eine weiter Option aufgezeigt, die vor allem bei langhubigeren Fullies in meinen Augen durchaus Sinn machen könnte.

Aber bevor wir in der Testserie zu den Fullies wechseln, steht noch ein Kurztest mit einem „echten“ 650b Hardtail bevor, das hierzu vielleicht noch neue Eindrücke liefern könnte.

Bis bald und RIDE ON,
c_g