ROTWILD R.X1 FS 29 – Kurztest: von c_g

Die Firma ROTWILD steht für deutsche Ingenieurskunst, Liebe zum Detail und Innovationsbereitschaft und durchdachtes, eigenständiges Design. Mit wissenschaftlichen Ansätzen haben sich die ROTWILD Bikes (sagt man hier eigentlich ROTWILDs oder ROTWILDER ;-)) einen festen Platz in der deutschen Bike-Oberklasse errungen.
Bis zur Eurobike´11 hatte sich ROTWILD nicht groß im Bereich er 29er umgetan. Es gab zwar das R.T1 29er, das aber konzeptionell eher Anleihen an ein geländegängiges Touringbike, als ein sportliches MTB nahm. Dann kamen mit einem Paukenschlag gleich drei 29er Modelle (1 Hardtail und 2 Fullis mit 120 und 140 mm und wenn manßs genau nimmt, noch ein 29er Pedelec), alle mit State-Of-The-Art Alurahmen und feinsten Zutaten – wir haben damals darüber berichtet (hier – in engl.)

Wir hatten das Glück den 29er Federwegskönig, das All-Mountain  R.X1 FS 29er für ein paar Tage intensiv zu testen und können es daher in der Rubrik Kurztest vorstellen.

Der Rahmen basiert auf dem sehr hochwertige „Cannel-Tube“ Rohrsatz aus 7005 T6 Alu, der alle technischen Finessen aufweist: In der Liga fast schon selbstverständlich sind das konische Steuerrohr (mit ROTWILD-typisch integriertem Steuersatz); dann das BB92 Press-Fit Innenlager (im massiven oversized Gehäuse), aber dann wären da noch die multifunktionale HR-Achsaufnahme (die für diverse Achssysteme umrüstbar ist – in Serie kommen das 135/10 HR-Achsen) und natürlich der aufwendig gelagerte Viergelenkerhinterbau mit im Hauptrahmen stehendem Dämpfer.
Mit dem typisch kontrastreich-technischen Design aus den Rotwild Farben Schwarz, Weiß und Rot (und ertwas Grau/Silber) mischen die Designer bei Rotwild ein eigenständiges und unverkennbares Design, das von Kennern sofort identifiziert wird.

Wie bei ROTWILD üblich gibt es den Rahmen (mit Dämpfer und Steuersatz) für € 1799.-, oder als Komplettbike in drei verschiedenen Ausstattungsvarianten von € 31999.- bis € 5599.- .

Unser Testbike mit der Edition Ausstattung geht keinerlei Kompromisse ein: Eine komplette XTR Trail Gruppe (Schaltung, Antrieb, Bremsen) sorgen für eine nie dagewesen präzise und seidenweiche Schaltperformance und die sagenhaft guten XTR Bremsen (200 mm vorne und 180 mm hinten) bewiesen sich als die ersten von uns gefahrenen wirklichen Einfingerbremsen. Ein willkommenes Detail sind für uns immer wieder die in geschlossenen Hüllen (servicefreundlich) außen verlegten Schaltzüge, hier am Unterrohr. Bei den Federelementen durfte natürlich auch nur die Top-Komponenten ans Bike, wie die F34 Factory Series (Kashima) mit TALAS-Funktion (140 und 110 mm) und der passende RP23 Dämpfer (140 mm). Dazu kommen die bekanntermaßen steifen DT-SWISS XM 1550 Tricon Laufräder, Carbon Sattelstütze & Lenker und Vorbau von Crank Brothers, sowie Schwalbe Nobby Nic 2.35 Reifen.
OK, bei einem VK von  € 5599,- darf man schon was erwarten, aber dieses Feuerwerk an Edelkomponenten lässt auch uns staunend schaun.

Das Bike gibt es in den Größen M, L und XL mit effektiven Oberrohrlängen von 585 mm bis 630. Bei einem Lenkwinkel von 69,5° (69° beim M) und einem steilen 74° Lenkrohrwinkel glaubt man die All-Mountain-Auslegung des Bikes gerne. Mit mit beachtlichen 460 mm Hinterbaulänge und einem Radstand von 1170 mm in der gefahrenen Größe L gehört das  R X.1 zu den größten Bikes, die wir je gefahren haben.

Angesichts der extrem hochwertigen Ausstattung hat mich das gemessene Gesamtgewicht, von immerhin 13,40 kg doch etwas überrascht und deutet auf einen gewichtigen Rahmen hin.

 

Paxiserfahrungen: Auch wenn wir das ROTWILD R.X1 FS 29 nur etwas über einer Woche gefahren sind, hat es einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Laufruhig, spurtreu und gutmütig – so präsentiert sich das X.1 auf den heimatlichen Trails. Für unseren Geschmack sogar etwas zu spurtreu, denn im  Serientrimm wirkte das R.X1 29er ein wenig unhandlich – in verwinkelten Kursen oder Serpentinen braucht ich einigen Körpereinsatz und das Bike sauber zu bewegen. Kein Zweifel, hier spielen die Länge des Bikes klar in Richtung flowige und schnellen  Trails in denen das X.1 29er voll auftrumpfen kann.

In den groben Wurzelpassagen arbeiten die 140 mm aktiven Federwegs am R.X1 FS sehr effektiv und brachten Sicherheit bei jeder Geschwindigkeit. Anders, als die bestens bekannten F32 29er Gabeln braucht die F34 aber eine präzisere Einstellung um ihr volles Potential zu entfalten – ähnlich der aktuell im Test befindlichen DT-SWISS XMM Gabel können bereits kleinere Änderungen im Luftdruck den Charakter der Gabel nachhaltig verändern. Der sehr gute Hinterbau garantiert optimale Feinfühligkeit, aber gibt sich bei unrundem Tritt selbst mit maximaler Plattformdämpfung nicht 100% wippfrei. Wiegetritt-Attacken sind nicht die bevorzugte Fahrweise für das X1 FS 29er und werden mit starkem Wippen quittiert, aber wenn man das Bike rund und gelassen pedaliert, ist es wunderbar effektiv und erklimmt dank der absenkbaren Gabel selbst die steilsten Rampen. Was die Steifigkeit des Rahmens angeht, konnte ich dem X1 29er keinerlei Schwächen anmerken.

Um dem für meinen Geschmack etwas zu trägen Handling auf die Sprünge zu helfen, habe ich probeweise einen kürzeren Vorbau montiert und schon kamen die All-Mountain-Gene deutlich besser zur Geltung. Das X.1 wurde damit nicht wirklich quirlig, aber deutlich agiler auf meinen heimischen Waldtrails.

In der kurzen Testphase hatte ich außerdem die Gelegenheit das Bike auch auf den verblockten Trails des Gardasees gefahren und hier passte die Auslegung und Geometrie des Bikes nochmal besser. Die schluckfreudige Federung, das ruhige und extrem sichere Handling und die einmalig präzisen Komponenten haben hier richtig Spaß gemacht und schon fast Enduro-Gefühle aufkommen lassen. Lediglich in langsam gefahreneren Passagen und Spitzkehren kam die für meinen Geschmack zu hohe Trägheit des Bikes wieder zum Vorschein – bei Speed aber ist das ROTWILD R.X1 FS 29 eine Wucht.

Mein einziger Kritikpunkt an der Ausstattung ist das große Kettenblatt der 3-fach Kurbel, mit der ich des öfteren an Stufen oder Felsen aufgesessen bin. Für göberes oder felsiges Gelände  würde ich zum Tausch auf eine 2-fach Kombi raten. Ach, ja, eine Dropper-Sattelstützen hätte dem X1 auch sehr gut gestanden, aber dafür ist der Rahmen bereits vorbereitet und eine ROCK SHOX Reverb ist sogar als aufpreispflichtige Option direkt bei der Bestellung möglich.

Fazit: Mit dem R.X1 FS 29 stellt Rotwild ein beeindruckendes Erstlingswerk im Long-Travel 29er-Bereich hin. Mir ist außer CUBE keine andere Firma bekannt, die es wagt so fulminant bei 29ern durchzustarten und gleich 3 neue Plattformen vorstellt … dafür gebührt ROTWILD ein echtes Lob. Das R.X1 FS 29 Bike überzeugt in typischer ROTWILD Manier auf technischer Ebene rundherum und wartet mit einer sehr hohen Steifigkeit und Lenkpräzision auf, die in Kombination mit den edlen Komponenten maximale Funktion gewährleisten.
Im Handling zeigt sich das X1 FS von der spurtreuen Seite und eignet sich nach meiner Einschätzung sehr gut für flowig, schnelle und auch grobe Kurse aber nicht so sehr für enge Waldtrails. Dort ist es nicht ganz in seinem Element und das X1 FS 29er fordert ordentlich Körpereinsatz … der probeweise montierte kürzerer Vorbau kann das nur teilweise kaschieren. Die sehr potente Federung arbeitet (einmal richtig eingestellt) sehr effektiv und vermittelt mit der langen und laufruhigen Geometrie maximale Fahrsicherheit. Außer der leichten Wipptendenzen in Anstiegen (vor allem bei unrundem Tritt und im Wiegetritt) und des recht hohen Gewichts gibt es auch bergauf kaum Beanstandungen.

Insgesamt ein All-Mountain Bike, das mit seiner sehr hohen Laufruhe polarisieren kann – edel durchdacht und hochfunktionell, aber nicht unbedingt ein Bike für  jeden Trail.

RIDE ON,
c_g

(Spannend war auch der direkte Vergleich zum KONA Satori das mit seinen agilen Fahreigenschaften einen ganz anderen Charakter von Long Travel 29er aufzeigt. Den Test dazu findet ihr hier.)